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Prokons Pleite

Finsterer Wald

Finsterer Wald

Der Insolvenzverwalter des Windenergie-Unternehmens Prokon verbreitet Optimismus. Doch vielleicht bereitet ihm bald ein dubioser Deal in Rumänien großen Ärger

Da stehen sie nun in einer zugigen Montagehalle, der eine ein ergrauter Mann mit langem geflochtenem Zopf, der andere mit randloser Brille, Anzug, Krawatte und dem Tonfall eines Beerdigungsredners: Der alte Chef, Carsten Rodbertus, Gründer des Windkraftunternehmens Prokon. Und der neue, sein vorläufiger Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin. Sie sprechen hier, in Itzehoe, dem Sitz der Firma, darüber, ob Prokon stirbt oder weiterlebt. Was aus 1,4 Milliarden Euro wird, die 75.000 Sparer in dem Unternehmen angelegt haben.

Wie einer, der Abbitte leisten möchte, wirkt Rodbertus an diesem Donnerstagnachmittag nicht. Er sagt "wir alle machen Fehler", weist Vorwürfe aber zurück. Seine Mitarbeiter begleiten viele seiner Antworten mit tosendem Applaus. Prokon steht zusammen. Da stört Penzlin fast ein bisschen. Er sagt, es sei üblich, dass es in den ersten Tagen nach der Insolvenz "zu Verwerfungen und Turbulenzen" komme. Das klingt, als sei er auf schlimme Nachrichten gefasst.

Ein paar Hundert Kilometer entfernt, in einem Plattenbau in Delitzsch bei Leipzig , sitzt Guido Gebhardt auf einem Ledersofa, ein gut zwei Meter großer Mann. Er rollt zwischen seinen langen, kräftigen Fingern Tabak in ein Zigarettenblättchen ein und sagt: "Das gibt jetzt richtig Theater." Er meint ein Geschäft, das Prokon in Rumänien gemacht hat. Das Unternehmen hat nämlich nicht nur in Windkraftanlagen investiert, sondern auch in rumänischen Wald. Und zwar fast 80 Millionen Euro, vermutlich Geld, das deutsche Sparer ihm anvertraut haben, als sogenanntes Genussrechtskapital. Es sollte sogar noch mehr werden. Aber die Sache ist geplatzt. Gebhardt erzählt von einem undurchsichtigen Deal, 140 Millionen Euro schwer, den Rodbertus vor nicht einmal einem Jahr eingefädelt hat und der bis heute nicht abgeschlossen ist. Auch da geht es um Wald, eine Fläche, die 43.000 Fußballfeldern entspricht.

Das Geschäft, zu dem der "Welt am Sonntag" Verträge und andere vertrauliche Dokumente vorliegen, ist voller dubioser Details. Die Frage ist, ob Rodbertus sich verzockt und damit riskiert hat, zig Millionen Euro zu verlieren. Die Frage ist, ob er seine Mittelsmänner und sogar die rumänische Regierung und den Ministerpräsidenten des Landes genarrt hat. Das Geschäft ist ein Beispiel für das Dickicht aus kühnen Visionen, Missmanagement und Halbwahrheiten, die Prokon an den Rand der Pleite getrieben haben.

Gebhardt hat Rodbertus den Waldkauf mit seinen Kontakten überhaupt erst ermöglicht. So zumindest geht seine Version der Geschichte. Er will beim Landgericht Leipzig eine Klage gegen zwei Partner-Unternehmen von Prokon einreichen, gegen die Hit Holzindustrie in Torgau und die rumänische Firma Prokon Hit Timber, bei der Rodbertus und die beiden Chefs der Torgauer Firma gemeinsam Geschäftsführer sind. Es geht um insgesamt zwei Millionen Euro. Gebhardts Vermittler-Provision.

Da weder Rodbertus und Prokons vorläufiger Insolvenzverwalter, noch die Firmenchefs der Hit Holzindustrie Fragen zu dem Fall beantwortet haben, muss man sich vorerst an die Dokumente halten. Und an das, was Gebhardt und andere Menschen sagen und belegen können, die viel über die Sache wissen.

Der WaldPiatra Neamt, im Norden Rumäniens. Mit Holz beladene Lastwagen rumpeln über geflickte Betonpisten, vorbei an Pferdefuhrwerken, Dorfkirchen und flachen Gehöften. Sie ächzen Serpentinen hinauf, die sich durch bewaldete Hügel schlängeln. Die Wälder gelten als die dichtesten Europas, hier leben Bären und Wölfe. Es sind weniger als 150 Kilometer zur ukrainischen und zur moldawischen Grenze. Prokon hat hier nach eigenen Angaben für fast 80 Millionen Euro Waldstücke gekauft.

Dabei gilt die rumänische Holzwirtschaft unter deutschen Experten als besonders zwielichtig: viel Raubbau, Schmuggel, Export nach China . Mancher spricht von einer Holzmafia. Ein todsicheres Geschäft – so stellte es Prokon im Mai 2013 dar. Es gehöre zu den "sichersten Geldanlagen überhaupt": Grund und Boden. Der Kauf beziehungsweise Kaufverträge sicherten Prokon Wälder mit einer Gesamtfläche von 63.000 Hektar – die Flächen des 140-Millionen-Euro-Deals waren da offenbar schon eingerechnet. Prokon werde "der größte ausländische private Waldbesitzer". Es seien schon mehrere Forstarbeiter eingestellt und einige Tausend Festmeter Holz geerntet worden. "Die ersten Züge sind bereits in Torgau eingetroffen."

Das alles liest sich, als hätte Prokon ein unkonventionelles Geschäft aufgetan, eine Goldgrube noch dazu. Denn in Torgau, eine halbe Autostunde von Leipzig entfernt, sitzt die Firma Hit Holzindustrie, in die Prokon gerade erst 157 Millionen Euro gesteckt hat, für neue Technik und ein Heizkraftwerk. Rodbertus und seine Leute haben es auf Anlegerveranstaltungen und im Internet so dargestellt, dass man glauben konnte, die Firma gehöre Prokon. Aber das stimmt so nicht. Und es stimmt auch nicht, dass der Waldkauf in Rumänien Prokon eine goldene Zukunft eröffnet hätte.

Die Verhandlungen Vor ziemlich genau einem Jahr, am 30. Januar 2013, haben sich Rodbertus und einer der beiden Hit-Geschäftsführer in Piatra Neamt mit zwei Rumänen getroffen, um eine Vereinbarung zu schließen: insgesamt 43.000 Hektar Wald, Kaufpreis 140 Millionen Euro. Einer der beiden Verkäufer ist Ioan-Georghe Varga. In Rumänien gibt es Gerüchte, dass er in der Securitate gewesen sei, der Staatssicherheit des ehemaligen Diktators Nicolae Ceaușescu. Außerdem wird gemunkelt, er könne vielleicht mit Lucia Varga verwandt sein, einer Ministerin der rumänischen Regierung, zuständig für Fischerei, Wasser und Wald. Ausgerechnet. Denn ihr untersteht Romsilva – die oberste Behörde für Forstwirtschaft. Und die wird Prokon im Lauf dieser Geschichte noch Probleme bereiten.

Allein die Tatsache, das Varga als Verkäufer auftritt, ist schon bemerkenswert. Denn es sieht so aus, als gehörte der Wald jemand anderem: den Sturdzas, einer rumänischen Adelsfamilie. Die Kommunisten hatten in den 40er-Jahren viele Waldeigentümer enteignet. Es gibt allerdings ein Urteil des Gerichts in Covasna, dass im Jahr 2012 Paltin Gheorghe Sturdza den Wald wieder zuerkennt.

Die Verhältnisse in Rumänien sind verzwickt. Für Rodbertus arbeiteten deshalb mehrere Vermittler, die den Deal eingefädelten und offenbar auch den Kontakt zu den Zwischenhändlern herstellten. Einer, der auch an den Verhandlungen über den Waldkauf beteiligt war, sagt: Die Vermittler hätten nach Abschluss der Vereinbarung weder von Prokon noch von Hit die versprochene Provision bekommen. Ein ganzes Jahr Vorarbeit, und nun sitzen sie auf ihren Spesen.

Ursprünglich, so stellen es mehrere Informanten dar, habe Rodbertus gewollt, dass Varga und dessen Kompagnon die Sache abwickeln sollten. Dann aber soll Rodbertus einen Fehler gemacht haben, der ihn und einige andere nun sehr teuer zu stehen kommen kann. Und auch diejenigen, von denen er das Geld für den Deal hat. "Er hat plötzlich versucht, das Geschäft direkt mit der Sturdza-Familie zu machen und so den Varga auszuspielen", sagt einer der Vermittler. "Das hat aber nicht geklappt."

Wenn das stimmte, hätte Rodbertus die Vereinbarung mit Varga gebrochen, in der es heißt, dass sich die Parteien verpflichten, für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht mit Dritten über den Erwerb des Eigentums zu verhandeln. "Darüber hinaus wird der versprechende Käufer den Nachweis, dass Prokon Deutschland die vollständige Abbezahlung des vereinbarten Preises gewährleistet, einholen und den versprechenden Verkäufern vorlegen." Als versprechende Käufer haben Prokon-Chef Carsten Rodbertus und Hit-Chef Günther Hilmer unterschrieben, im Namen des rumänischen Unternehmens Prokon Hit Timber.

Wenn diese Vereinbarung nun endgültig platzen sollte, dann hat sich Rodbertus in Rumänien eine Menge Feinde gemacht. Vielleicht hat er seine Geschäftspartner unterschätzt. Rodbertus, Prokon und auch die Hit Holzindustrie haben dazu keine Fragen beantwortet.

Doch auch so steht fest, dass der geplante 140-Millionen-Euro-Deal trotz vertraglicher Vereinbarung nicht umgesetzt wurde. Denn die staatliche Forstbehörde Romsilva hat sich eingeschaltet und hat vor Gericht die Rückübertragung des Waldes an die Sturdza-Familie angefochten. Kommt sie damit durch, könnten die Sturdzas den Wald nicht an Prokon verkaufen, auch nicht mithilfe Vargas. In erster Instanz hat Romsilva Recht bekommen. Was die nächste sagt, ist offen. Man kann das so verstehen, dass sich Romsilva als Verwalter der enteigneten Wälder von einer großen Waldfläche nicht trennen wollte. Oder dass politische Strippenzieher im Hintergrund wirken.

Ein finales Gerichtsurteil ist so schnell wohl nicht zu erwarten. Aber es zeichnet sich schon jetzt ab, dass Rodbertus' Geschäfte in Rumänien Prokon einige handfeste Probleme bescheren werden.

Mehr ÄrgerWeitere Vermittler überlegen – ähnlich wie Gebhardt – zu klagen, weil sie keine Provisionen bekommen haben. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" gibt es außerdem im Umfeld des Strippenziehers Varga Überlegungen, in Rumänien auf die Einhaltung des Kaufversprechens und die Zahlung der 140 Millionen Euro zu klagen. Einer, der an den Verhandlungen beteiligt ist, sagt, die Rumänen würden als Nächstes versuchen, die Finger an die Wälder zu bekommen, die Prokon bereits gekauft hat. Die Frage, wer am längeren Hebel sitzt, ist leicht zu beantworten.

Die insgesamt 63.000 Hektar Wald, die Prokon schon vor Monaten als gesicherte Akquise angekündigt hatte, werden dem Unternehmen wohl nie gehören. Dafür hätte sich Rodbertus an die Vereinbarung mit Varga halten müssen. Die erste Rate von 16 Millionen Euro wäre im März 2013 fällig gewesen. Das geht aus der Vereinbarung hervor. Wie es aussieht, sind sie nie gezahlt worden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Prokon ein Geschäft einfädelt, es als lukrative Investition seinen Anlegern verkauft – und sich bald zeigt, dass zwischen Rodbertus' Visionen und der Wirklichkeit ein sehr großer Unterschied besteht. Das Geschäftsjahr 2012 belegt das eindrucksvoll:

Das Kerngeschäft mit den Windparks läuft mies. Drei Parks mit knapp 50 Windrädern, die Rodbertus in Deutschland aufstellen wollte und in die schon Genussrechtskapital geflossen sein soll, hatten damals ernste Probleme. Sie werden wohl nie gebaut werden. Das zweite Geschäftsfeld, die Produktion von Biodiesel , stand zwischenzeitlich still. Die eben erst gekaufte Firma hat einen schlimmen Maschinenschaden. Monatelang keine Produktion, nur Kosten. Und schließlich: Holzpellets und Paletten. Rodbertus hatte die Hit Holzindustrie in Torgau finanziert. Die konnte wegen eines Streits um eine Baugenehmigung monatelang nicht vergrößert werden. Das alles führte 2012 dazu, dass die Prokon-Gruppe 170 Millionen Euro Miese machte.

Und jetzt geht es um rumänischen Wald. Ob der Insolvenzverwalter noch eine Chance hat, auf die dort investierten 80 Millionen Euro zuzugreifen, ist nicht nur wegen des Ärgers fraglich. An dieser Stelle kommt erneut die Hit Holzindustrie ins Spiel, genauer: Prokons merkwürdige Geschäftsbeziehung zu dieser Firma.

Zwar hat Prokon viel Geld in die Hit Holzindustrie investiert, einzige Gesellschafter sind aber deren zwei Geschäftsführer. Sie schreiben auf ihrer Webseite: "Die öfter mal diskutierte Übernahme und Eingliederung der Hit OHG in die Prokon-Unternehmensgruppe wurde aus verschiedenen Gründen nicht weiterverfolgt." Trotzdem haben sie mit Carsten Rodbertus die rumänische Prokon Hit Timber aufgebaut. Die hat allerdings laut rumänischem Handelsregister nur einen Gesellschafter: die Hit Holzindustrie, in der Rodbertus nicht mitbestimmen kann.

Und nun, an diesem Donnerstagnachmittag im Januar 2014, stehen zwei Männer in der Werkshalle, um der Presse zu erklären, wie es mit Prokon weitergeht. Sie mühen sich, Zuversicht zu verströmen. Doch nur einer von beiden weiß, was genau in Rumänien gelaufen ist.

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