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Prokons Pleite

Riskante Investition: Prokon bettelt um das Kapital seiner Anleger

Riskante Investition: Prokon bettelt um das Kapital seiner Anleger

Der Windkraftkonzern steckt in der Krise. Zu viele Anleger steigen aus. Das will der Chef nicht zulassen – und greift zu ungewöhnlichen Mitteln: Er bittet Anleger, ihre Kündigungen zu widerrufen.

So ein Anruf ist schnell wieder beendet, wenige Sekunden Besetztzeichen, dann Stille. Es ist nicht leicht, in diesen Tagen die Mitarbeiter des Itzehoer Windkraftkonzerns Prokon zu erreichen.

"Es ist uns zurzeit leider nicht möglich, alle Anrufe sofort entgegenzunehmen", schreibt das Unternehmen im Internet. Der Anrufer solle es später wieder versuchen oder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Was nicht im Netz steht: Es springt kein Anrufbeantworter an.

Dass die Firma schwer zu erreichen ist, könnte viele Prokon-Anleger verärgern oder besorgen, denn zurzeit gibt es viel Gesprächsbedarf. Im Dezember hat Prokon vorläufige Geschäftszahlen für das Jahr 2012 vorgelegt.

Darin ist ein deutlicher Verlust von 171 Millionen für die Prokon-Gruppe und von 129 Millionen Euro für die zentrale Prokon Regenerative Energien GmbH verzeichnet.

Wer kündigte, bekam ein Schreiben vom Chef persönlich

Mehrere namhafte Verbraucherschutz-Organisationen warnen vor der jüngsten Entwicklung, darunter die Stiftung Warentest. Der "Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein" hat eine Interessengemeinschaft für verunsicherte Anleger gegründet, Hunderte sind schon beigetreten.

Und jetzt hat auch Prokon selbst zu einem Mittel gegriffen, das dafür sorgt Anleger weiter zu verunsichern. Wer in den vergangenen Tagen seine Genussrechte bei Prokon gekündigt hatte, bekam ein Schreiben – von Konzernchef Carsten Rodbertus persönlich.

Er und Prokon seien Opfer einer Kampagne der Banken und der Medien, behauptet er darin. Bei Prokon handele es sich nicht um ein Schneeballsystem und die Firma stehe auch nicht kurz vor der Insolvenz.

"Lassen Sie uns gemeinsam dafür einstehen, dass ein gesundes und leistungsfähiges Unternehmen – mein persönliches Lebenswerk – nicht von den Interessen der Groß- und Finanzindustrie und den Medien zerstört wird!"

Prokon will Anleger in monatlichen Raten auszahlen

Man kann das Schreiben als eine Beruhigung lesen, dass alles in Ordnung ist. Oder als das genaue Gegenteil. Denn Rodbertus bittet die Anleger darum, die Kündigung ihrer Genussrechte zu überprüfen.

"Sollten Sie an Ihrer Kündigung festhalten, bitte ich Sie, einer Auszahlung in 3-6 oder mehr monatlichen Raten zuzustimmen." Dem Schreiben liegt ein Vordruck einer Antwort bei. Der Anleger muss nur noch ankreuzen.

Ein Kästchen für den Widerruf der Kündigung. Ein Kästchen, um das Kündigungsdatum zu verschieben. Ein Kästchen für die Ratenzahlung. Ein Kästchen fehlt. Das für die pünktliche und fristgemäße Rückzahlung des angelegten Kapitals.

Eine Anfrage der "Welt", wie viele Kündigungen es derzeit gibt und wie viele dieser Bittschreiben Rodbertus verschickt hat, ließ Prokon unbeantwortet. Das Unternehmen spricht seit vergangenem Jahr nicht mehr mit Journalisten. Mehr noch, im Internet und in Anlegerbriefen schiebt Prokon der "Welt" und anderen Wirtschaftsmedien die Schuld an der Krise zu.

Anleger haben über 1,3 Milliarden Euro eingezahlt

Prokon betreibt nach eigenen Angaben in Deutschland und Polen 54 Windparks mit 314 Windrädern, eine Ölmühle bei Magdeburg und finanziert ein Sägewerk bei Torgau mit einem 150-Millionen-Euro-Kredit.

Rund 75.000 Anleger haben Prokon mehr als 1,3 Milliarden Euro anvertraut und sogenannte Genussrechte gezeichnet. Bei dieser risikoreichen Anlageform haben Anleger – anders als Aktionäre – keine Mitspracherechte.

Sie werden am Firmengewinn beteiligt, können aber auch alles verlieren, wenn es hart auf hart kommt. Prokon Genussrechte gibt es in zwei Typen, die überwiegende Mehrheit lässt sich zeitnah kündigen. Ein anderer Typ schreibt die feste Anlage für fünf bis zehn Jahre vor.

In den nächsten fünf Jahren könnten 1,25 Milliarden Euro Genussrechtskapital fällig werden, wie Prokon in einem Rundbrief vom Dezember schreibt. Dort steht auch, dass Prokon ungefähr 55 Millionen Euro Genussrechtskapital zurückzahlen muss.

Prokon muss circa 40 Millionen Euro Zinsen ausschütten

Der gegenwärtige Liquiditätsbedarf dürfte folglich sehr groß sein. Das Bank und Wertpapierguthaben lag laut Rundbrief im Dezember bei rund 24 Millionen Euro. Das deutet auf einen finanziellen Engpass hin.

Ende Januar werden zudem die Zinszahlungen für das zweite Halbjahr 2013 fällig. Prokon habe ausreichend Wertschöpfung erzielt um sieben Prozent Zinsen zu zahlen, schreibt Rodbertus an seine Anleger. Das dürften grob geschätzt um die 40 Millionen Euro sein.*

Trotz dieser Zusicherung bittet Rodbertus in Anschreiben seine Anleger: "Wir würden das Kapital, das für die Auszahlung der Zinsen nötig wäre, jedoch lieber in die Fertigstellung der Windparks Ferchland III, Nortorf-Poßfeld, Krackow-Glasow, Rusiec und Lotlax investieren."

Er macht es ihnen einfach. Wer einverstanden sei, brauche nichts zu unternehmen. Wer das Geld aber ausgeschüttet bekommen möchte – wie es ursprünglich vereinbart war – muss das im Antwortschreiben noch einmal ankreuzen und an Prokon zurück senden.

Anwalt will Prokon zu Zahlungen zwingen

"Diese Schreiben, in denen der Geschäftsführer bittet, die Kündigungen zu widerrufen, sind eine Art Offenbarungseid", sagt der Rechtsanwalt Christoph Kaltmeyer von der Berliner Kanzlei Feil Kaltmeyer.

Er habe rund 200 Prokon-Anleger als Mandanten und werde möglichst schnell Titel gegen Prokon über ein sogenanntes Urkundsverfahren beim Gericht in Itzehoe erwirken. "Damit haben die Anleger folglich die Möglichkeit, ihre Rechte in einem beschleunigten Verfahren gegen eine drohende Insolvenz abzusichern."

Für die aktuellen Schwierigkeiten macht Kaltmeyer vor allem den Unternehmenschef Rodbertus verantwortlich: "Er hat dieses Geschäftsmodell entwickelt und auf langfristige Planungssicherheit verzichtet. Er ist bewusst das Risiko eingegangen, dass viele Anleger kurzfristig ihr Geld abziehen."

Kaltmeyer sagt, er wolle Prokon dazu zwingen, das Geld an seine Mandanten sofort auszuzahlen. Es gehe um rund vier Millionen Euro. "Und wenn wir die Titel haben, werden wir vollstrecken."

"Freunde von Prokon" halten die Treue

Angesichts der stürmischen Zeiten dürfte es für den Firmenchef tröstlich sein, dass sich auch eine Anlegerinitiative "Freunde von Prokon" gegründet hat. Ihr haben sich seit Weihnachten mehr als 1200 Anleger angeschlossen.

Ihre Botschaft lautet, dem Unternehmen die Treue zu halten. "In dieser Lage muss man denjenigen sagen, die ohne Not jetzt kündigen: Bitte wählt nicht Eure Insolvenz selber!" So steht es auf der Webseite.

Am 28. Dezember haben sich die "Freunde" nach eigener Darstellung mit Carsten Rodbertus und seinem Mitarbeiter Rüdiger Gronau getroffen – bei Flipchart, Beamer, Kerzen und Kamin. Alle hätten sich "unkompliziert wohlgefühlt".

Und das trotz der schlechten Botschaften, die die Prokon-Leute mitbrachten: "Die Auszahlung der Zinsen und die Rückzahlung der Genussrechte kann wegen der aktuellen Kündigungen vermutlich nicht planmäßig vorgenommen werden", schreiben die "Freunde von Prokon" zu den Ergebnissen des Tages "zusammen mit den Vertretern von Prokon".

Wie es nun weiter gehe, könne erst entschieden werden, wenn das Ausmaß der Kündigungen durch die Verunsicherung bekannt sei. "Es sind unterschiedliche Maßnahmen, je nach Umfang der Kündigungen angedacht, von einer Rückzahlung der Gelder in längeren Ratenzahlungen bis hin zu einem Verkauf oder einer Übergabe einzelner Windparks an Anlegergemeinschaften."

Die "Freunde von Prokon" kündigen an, kritisch und wohlwollend zu begleiten, wie es in Itzehoe weitergehen soll.

* In einer früheren Version des Artikels war von geschätzten 80 Millionen Euro Zinsen die Rede. Diese Zahl bezieht sich auf das ganze Jahr. Die Zinsausschüttung Ende Januar bezieht sich aber nur auf das zweite Halbjahr 2013. Richtig muss es an dieser Stelle also heißen: 40 Millionen.

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