13. August 1961: Berlin, Pullach, Air Force One. Das Mauerprotokoll
"Berlin – geschlossen" – So meldete es die Nachrichtenagentur AP am 13.8.1961. Es ist der Höhepunkt des Kalten Krieges, die deutsche Hauptstadt erlebt ihr tragisches Wochenende: Tausende Soldaten beginnen, die Grenze zwischen Ost und West abzuriegeln, für die folgenden 28 Jahre wird ein Todesstreifen Berlin zerschneiden. Was geschah in den entscheidenden 48 Stunden? Eine Rekonstruktion.
Es begann am Brandenburger Tor. Genau um 1.05 Uhr am 13. August 1961 gingen die Lichter aus. In den folgenden 18 Stunden riegelten mehr als 20.000 Polizisten, Soldaten und andere Uniformierte der DDR die drei westlichen Sektoren Berlins ab.
In den folgenden 28 Jahren sollte ein Todesstreifen die deutsche Hauptstadt zerschneiden. Allein hier, in Berlin, starben insgesamt 136 Menschen bei dem Versuch, über diesen Streifen, über diese Grenze in die Freiheit zu gelangen.
Nie zuvor in der Geschichte stand die Welt wohl so nahe an der völligen Vernichtung wie an diesem Sommersonntag. Zum ersten Mal belauerten sich in einer machtpolitischen Krise zwei Supermächte mit Atombomben und Interkontinentalraketen.
Ihre höchste Zuspitzung erreichte diese Krise, die durch die massenhafte Flucht von Menschen aus der SED-Diktatur ausgelöst worden war, in Berlin. Entlang der innerstädtischen Demarkationslinie zwischen den drei westlichen Sektoren und dem sowjetisch beherrschten Ostteil der Stadt war die Stimmung aufgeladen.
Was geschah in den Machtzentren der SED, was in Bonn? Wie war die Lage in Moskau und Washington D.C.? Und wie erlebten die Menschen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs das heißeste Wochenende des Kalten Krieges? Was passierte von Sonnabend um Mitternacht bis Sonntag um Mitternacht?
Zusammen mit einigen Freunden aus der Berufsschule kommt der 15-jährige Rainer Meier vom Kinobesuch aus West-Berlin heim in den Ort direkt an der Grenze von West-Berlin nach Brandenburg. Wie immer müssen die jungen Leute am Kontrollpunkt Oranienburger Chaussee ihre Ausweise vorlegen. Nichts ist ungewöhnlich.
Angetrunkene Arbeiter pöbeln die beiden Volkspolizisten Siegfried K. und Helmut J. in der HO-Gaststätte "Potsdam" an und schlagen sich mit ihnen vor der Kneipentür. Nach ihrer Festnahme geben die Täter an, sie hätten sich rächen wollen, weil Volkspolizisten am Nachmittag den Bahnhof Potsdam-Stadt abgesperrt und dabei Pendler schikaniert hatten.
Die "Air Force One" mit John F. und Jackie Kennedy an Bord landet auf der Otis Air Force Base. Die 40 Kilometer zum Wochenenddomizil in Hyannis Port am Atlantik fliegt das Präsidentenpaar per Hubschrauber, obwohl die Wolken gefährlich niedrig hängen.
Die Austräger der "Berliner Morgenpost" beginnen mit ihrer allmorgendlichen Arbeit. Die Schlagzeile der größten Abonnementzeitung West-Berlins lautet: "Ermächtigungsgesetz für den Terror".
Schichtwechsel im Zentralen Notaufnahmelager für Flüchtlinge. Seit Freitagmorgen sind 1532 DDR-Bürger als Neuankömmlinge in West-Berlin registriert worden.
In der Kaserne der 1. DDR-Grenzbrigade bricht Rudi Thurow zum Dienst auf. Der mehrfach ausgezeichnete Berufssoldat ist eingeteilt, am "Ring um Berlin" Passanten zu Fuß, auf dem Rad oder in Autos zu kontrollieren.
Der 26-jährige Leutnant der Volkspolizei Wilfried P. verlässt die Kaserne seiner Einheit und geht zu seiner Wohnung. Dort zieht sich das SED-Mitglied Zivilkleidung an, lässt sein Parteibuch und seinen DDR-Personalausweis zurück und fährt nach Ost-Berlin, um in die westlichen Sektoren zu desertieren.
In der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes geht eine streng vertrauliche Information aus Ost-Berlin ein. Danach hat am Vortag beim ZK der SED eine Konferenz von Parteifunktionären stattgefunden, auf der wichtige Veränderungen angekündigt wurden, die ein Auswerter zusammenfasst: "Jetzt könne nur der harte Weg beschritten werden."
Der 22-jährige Lothar Werth fährt mit seinem Moped in einen Wald südöstlich von Berlin, um Pilze zu sammeln. Er wird an den Ausfallstraßen von Berlin nach Brandenburg kontrolliert, kann aber weiterfahren. Zwischen den Bäumen entdeckt er versteckte Panzer.
NVA-Generalmajor Kurt Wagner und sein Stellvertreter Generalmajor Siegfried Weiß inspizieren Einheiten der 8. Motorisierten Schützendivision.
Auf dem Marktplatz verteidigt Bundeskanzler Konrad Adenauer auf einer CDU-Wahlkampfkundgebung die Aufrüstungspläne der USA: "Das bedeutet noch lange nicht Krieg, meine Freunde. Im Gegenteil, es bedeutet Anfang verständiger Verhandlungen. Sowjetrussland verhandelt mit keinem Lande, das schwach ist, es verhandelt aber mit einem Gegner, der stark ist. Und das wollen wir sein!"
Im Hauptquartier der Roten Armee in Deutschland treffen Generalmajor Wagner und mehrere Stabsoffiziere der NVA ein. Als vorgeschobener Gefechtsstand halten sie den direkten Kontakt mit den sowjetischen Verbündeten.
Auf dem Weg zum Gästehaus der DDR-Regierung am Döllnsee fallen Erich Honecker, Mitglied des Politbüros der SED, beiderseits der Straße bereitstehende Panzer und Lastwagen der NVA auf.
Den Soldaten der 1. und der 8. Motorisierten Schützendivision der NVA wird Ruhe befohlen. Das deutet auf einen nächtlichen Einsatz hin.
Der Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Willy Brandt, spricht auf dem Deutschlandtreffen seiner Partei in Nürnberg. Er spricht über die Fluchtbewegung: "Warum kommen diese Menschen?" Obwohl der Kanzlerkandidat der SPD keinerlei geheime Informationen hat, liegt er überraschend richtig: "Weil die Sowjetunion einen Anschlag gegen unser Volk vorbereitet, über dessen Ernst sich die wenigsten klar sind. Weil die Menschen in der Zone Angst haben, dass die Maschen des Eisernen Vorhanges zuzementiert werden. Weil sie fürchten, in einem gigantischen Gefängnis eingeschlossen zu werden."
Walter Ulbricht unterzeichnet die von Erich Honecker vorbereiteten Einsatzbefehle. Der genaue Zeitpunkt des Einsatzes, die "X-Zeit", bleibt noch offen, er wird erst später von Hand eingetragen. Die Mitglieder des DDR-Ministerrates treffen im Gästehaus der DDR-Regierung ein. Walter Ulbricht hat sie überraschend zu einem "Beisammensein" eingeladen. Es gibt kein offizielles Programm, die älteren Herren genießen den Sommernachmittag am See.
Der junge KGB-Offizier Oleg Gordijewski bekommt die Anweisung, am Abend nicht auszugehen, sondern sich in der Unterkunft bereitzuhalten.
In der Druckerei des DDR-Verteidigungsministeriums beginnen ausgewählte Schriftsetzer in einer Sonderschicht unter strenger Bewachung, vorbereitete Texte für Flugblätter und Aushänge zu setzen. Niemand, der die Texte gesehen hat, darf vor Schichtende die Druckerei verlassen oder telefonieren.
Im Regierungsgästehaus haben die Mitglieder des Ministerrates Kaffee getrunken. Keiner von ihnen weiß, was das Treffen soll. Johannes Dieckmann, der Präsident der Volkskammer, fragt Alfred Neumann, Mitglied des SED-Politbüros: "Sagen Sie einmal, Neumann, warum sind wir heute am Döllnsee?" Neumann, der eingeweiht ist, täuscht Ahnungslosigkeit vor.
Der junge Brite Adam Kellett-Long kauft am Ostbahnhof eine Frühausgabe des "Neuen Deutschland" vom folgenden Tag. Der junge Korrespondent der britischen Nachrichtenagentur Reuters, der einzigen westlichen Agentur mit eigenem Büro in Ost-Berlin, sucht in dem SED-Blatt nach Material für seinen aktuellen Bericht über die Lage in Berlin. Doch es steht nichts Bemerkenswertes in der Ausgabe.
Nach dem Abendessen der Ministerratsmitglieder sagt Walter Ulbricht plötzlich: "So, jetzt machen wir noch eine Sitzung." Als sich die über 20 Minister versammelt haben, holt der SED-Chef einen fertigen Beschluss hervor, den sie abnicken sollen. Ohne Gegenstimmen akzeptiert die machtlose "Regierung" Ulbrichts Vorschlag als "ihren" Beschluss.
Erich Honecker ist auf dem Weg ins Ost-Berliner Polizeipräsidium, in das er für den späten Abend die Mitglieder seines Einsatzstabes befohlen hat.
Nach fast zwölf Stunden Dienst am "Ring um Berlin" kommt Rudi Thurow zurück in sein Quartier. Der Unteroffizier hat keine "besonderen Vorkommnisse" zu melden, es ist nichts vorgefallen. Die Lage scheint normal.
DDR-Innenminister Karl Maron setzt die ersten Befehle zur Grenzschließung in Kraft. Weil die Kommandos, die die S-Bahnstrecken von West-Berlin ins Umland unterbrechen sollen, teilweise bis zu 83 Kilometer Anfahrt vor sich haben, werden ihre Kommandeure schon um 22.30 Uhr informiert.
Der Einsatzstab unter Erich Honecker gibt im Polizeipräsidium von Ost-Berlin den Einsatzbefehl. Die "X-Zeit" wird auf den 13. August um 1 Uhr morgens festgelegt.
Dem 18-jährigen Manfred Migdal fällt nahe der Warschauer Straße eine lange Reihe Lastwagen mit geschlossenen Planen auf. Er wundert sich; weil er aber einen West-Berliner Personalausweis hat, seit er im November 1960 aus der DDR geflüchtet ist, fühlt er sich sicher und geht zur Wohnung seiner Mutter weiter, die immer noch in Ost-Berlin wohnt.
Oberleutnant Witz, Kompaniechef bei der 1. Grenzbrigade, trifft zu einem kurzfristig anberaumten Termin im örtlichen Stab der sowjetischen Streitkräfte ein. Ein Vertreter des DDR-Innenministeriums eröffnet den anwesenden Grenzpolizeioffizieren, dass in einer halben Stunde Gefechtsalarm gegeben werde.
Sirenen in allen Kasernen der Nationalen Volksarmee, der Volks- und der Grenzpolizei verkünden "Gefechtsalarm!"
Ein dreimaliges Heulen der Alarmsirene reißt Rudi Thurow aus dem Schlaf. Der Unteroffizier schaut irritiert auf seine Taschenuhr: Schon wieder ein Probealarm? Der 23-Jährige springt wie seine drei Stubenkameraden aus dem Bett und zieht sich an.
Bei George Muller, einem Mitarbeiter der US-Mission, klingelt das Telefon. Heinrich Albertz, der Chef der West-Berliner Senatskanzlei, meldet sich: "Etwas Seltsames geht vor sich. Es fahren mehr S-Bahn-Züge Richtung Osten als von Osten nach Westen."
Adam Kellett-Long sitzt in seinem Büro an der Schönhauser Allee. Obwohl er müde ist, entscheidet er sich, noch auf die Nachrichten des Ost-Berliner Rundfunks zu warten.
Oberstleutnant David Morgan von der US-Verbindungsmission bei den sowjetischen Streitkräften in Potsdam, hört Panzer durch die Nacht rattern.
Im Dienstzimmer des Kompaniechefs versammeln sich die Offiziere und Unteroffiziere der 4. Abteilung der 1. Grenzbrigade, darunter auch Rudi Thurow. Oberleutnant Witz hält eine kurze politische Ansprache: "Viel zu lange haben wir geduldet, dass imperialistische Menschenhändlerzentralen die besten Arbeitskräfte abwerben. Es werden jetzt Maßnahmen dagegen ergriffen!"
US-Außenminister Dean Rusk schickt ein dringendes Telegramm an Botschafter Walter C. Dowling in Bonn. Rusk sorgt sich vor einer "Explosion wie 1953" und bittet Dowling, baldmöglichst mit Bundeskanzler Konrad Adenauer darüber zu sprechen.
Röntgental, 0.30 Uhr
Die 1. Grenzbrigade soll im Norden den Ring um Berlin schließen und sicherstellen, dass in den nächsten zwölf Stunden kein unberechtigter DDR-Bürger nach Berlin gelangt. Rudi Thurow wird mit seinen Männern am Bahnhof Bernau eingesetzt.
Im Büro von Adam Kellett-Long klingelt das Telefon. Eine männliche Stimme sagt: "Kleiner Vorschlag: Gehen Sie heute Nacht nicht ins Bett!" Direkt danach schaltet der Brite den Ost-Berliner Rundfunk ein, doch in den Nachrichten wird nichts Bemerkenswertes berichtet.
Schlagartig verlöschen alle Scheinwerfer, die gewöhnlich das Brandenburger Tor in gleißendes Licht tauchen. Nur noch Schemen sind zu erkennen, die durch das klassizistische Wahrzeichen der längst geteilten Stadt in Richtung Westen rollen. Nach wenigen Metern stoppen sie. Gestalten in Uniform huschen zwischen großen, dunklen Schatten hindurch.
Der Ost-Berliner Rundfunk unterbricht sein Programm, eine Sondermitteilung: "Die Regierungen der Warschauer Vertragsstaaten wenden sich an die Volkskammer und an die Regierung der DDR mit dem Vorschlag, an der West-Berliner Grenze eine solche Ordnung einzuführen, durch die der Wühltätigkeit gegen die Länder des sozialistischen Lagers zuverlässig der Weg verlegt und rings um das gesamte Gebiet Westberlins eine verlässliche Bewachung gewährleistet wird."
Adam Kellett-Long sieht, dass der ADN-Fernschreiber eine lange Meldung herunterrattert. Der Korrespondent übersetzt sofort die wichtigsten Passagen und gibt sie nach London durch. Dann verlässt er sein Büro, um einen Eindruck von der Lage zu bekommen.
Der Malergeselle Jürgen Franke kommt mit zwei Freunden die Brunnenstraße herunter. Sie waren in West-Berlin im Kino. An der Bernauer Straße fällt ihnen die helle Beleuchtung auf, Uniformierte stehen herum. Stacheldraht liegt über der Straße, nur ein schmaler Spalt ist noch offen. Die drei jungen Männer fragen die Soldaten: "Wat soll denn dat?", bekommen aber keine Antwort. Ohne kontrolliert zu werden, gehen sie an den Soldaten vorbei nach Ost-Berlin, nach Hause.
Grenz- und Bereitschaftspolizisten haben die bisher 82 offiziellen Kontrollpunkte entlang der innerstädtischen Sektorengrenze besetzt. Sie beginnen, die Straßen mit Stacheldrahtrollen zu sperren.
Mit kurzer Verspätung alarmiert der Einsatzstab unter Erich Honecker die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", die paramilitärische Bürgerkriegsarmee der SED.
Werkstattzüge der S-Bahn sind auf dem Weg zu ihren Einsatzorten. Die Männer haben den Auftrag, so schnell wie möglich grenzüberschreitende Schienenverbindungen zu demontieren.
Adam Kellett-Long fährt mit seinem Wagen auf der Leipziger Straße Richtung Potsdamer Platz. Doch schon weit vor der Sektorengrenze wird er gestoppt. Ein Uniformierter steht mit einer roten Lampe auf der Straße und erklärt dem britischen Journalisten: "Die Grenze ist geschlossen!"
Im West-Berliner Polizeipräsidium notiert Oberkommissar Hermann Beck, der Beamte vom Dienst im Lagezentrum: "Polizeirevier Spandau teilt mit, dass der S-Bahn-Zug aus Richtung Staaken in Richtung Berlin auf sowjetzonales Gebiet zurückgeführt wurde."
Auf allen S-Bahn-Linien ist der Zugverkehr eingestellt. Überall außer auf der Stadtbahn und im Nord-Süd-Tunnel werden die Gleise an der Sektorengrenze demontiert.
Der 2. Zug der örtlichen Betriebskampfgruppe meldet seine Einsatzbereitschaft im VEB Bergmann-Borsig, dem größten Industriebetrieb direkt an der Sektorengrenze.
Der Offizier vom Dienst im US-Hauptquartier weckt per Telefon Richard Smyser, einen 30-jährigen Mitarbeiter der zivilen US-Mission: "Etwas ist passiert!" Ob er losfahren und sich umschauen könne? Smyser holt sein Mercedes-Cabriolet.
Die Leitstelle im Polizeipräsidium klingelt den West-Berliner Bürgermeister Franz Amrehn (CDU) aus dem Bett, den Stellvertreter von Willy Brandt. Amrehn versucht zunächst erfolglos, Brandt zu erreichen. Dann ruft er den Minister für gesamtdeutsche Fragen, Ernst Lemmer (CDU), in Bonn an.
Am Brandenburger Tor erscheinen erste Journalisten, darunter ein Kamerateam. Sie haben von der Sondermitteilung des DDR-Rundfunks gehört.
Die Leitstelle des Polizeipräsidiums bekommt Dietrich Spangenberg (SPD) an den Apparat, einen Vertrauten Willy Brandts. Doch auch er weiß nur, dass der Regierende Bürgermeister im Zug unterwegs von Nürnberg nach Kiel ist. Berlin-Dahlem, zur selben Zeit
Telefonklingeln weckt den Gesandten Allan Lightner in der Dienstvilla der US-Mission auf. Ein Mitarbeiter seines Stabes berichtet, dass an der Sektorengrenze ungewöhnliche Dinge vor sich gehen. Doch der höchste US-Zivilist in der Stadt befiehlt: "Wecken Sie mich, wenn Sie Genaueres wissen!" Dann schläft er weiter.
Dietrich Spangenberg erreicht den Vorsteher eines kleinen Durchgangsbahnhofs und überzeugt ihn, den Nachtzug nach Kiel anzuhalten. Er trägt dem überraschten Bahnbeamten auf, in den an die regulären Waggons angehängten Schlafwagen zu steigen, Willy Brandt zu wecken und ihn zu bitten, schnellstmöglich nach Berlin zu kommen.
Aus dem Fernschreiber neben dem RIAS-Studio kommt eine Eilmeldung der Nachrichtenagentur United Press. Sofort unterbricht der diensthabende Redakteur die laufende Unterhaltungsmusik und verliest: "Starke Verbände der kommunistischen Volkspolizei haben in der Nacht zu Sonntag die Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin abgeriegelt."
West-Berliner Polizisten des Reviers Neukölln ziehen an der Elsenstraße unmittelbar an der durch Schilder markierten Sektorengrenze auf. Auf der anderen Seite haben Volkspolizisten mit Stacheldraht die bisher offene Straße versperrt.
Der CIA-Mitarbeiter John Kenney hat aus dem RIAS von der Schließung der Grenze erfahren und eilt in das Gebäude des US-Geheimdienstes. Dort herrscht Ruhe.
Richard Smyser erreicht mit seinem Cabrio den Potsdamer Platz. Der Himmel über Berlin beginnt zu dämmern, als der junge Diplomat eine Diskussion mit mehreren Volkspolizisten beginnt, die ihm den Weg versperren. Nach wenigen Minuten erreicht Smyser, dass ihn die Uniformierten nach Ost-Berlin fahren lassen. Der Stacheldraht auf der Leipziger Straße wird kurz beiseitegeschoben.
Die deutsche Redaktion der Nachrichtenagentur Associated Press schickt eine Vorrangmeldung: "Berlin – Brandenburger Tor geschlossen".
Zwei Überfallkommandos der West-Berliner Polizei fahren am bisherigen Kontrollpunkt Sonnenallee auf. Etwa 50 Mann stellen sich bewaffnet und voll ausgerüstet den Volkspolizisten gegenüber, die Stacheldrahtrollen über die Straße verlegt haben und beiderseits des Kontrollpunktes beginnen, Löcher für Betonpfosten auszuheben.
Ein verunsicherter Bahnhofsvorsteher klopft an die Tür von Willy Brandts Schlafwagenabteil im Sonderwaggon nach Kiel und informiert ihn, dass in Berlin Absperrmaßnahmen begonnen haben. Der Regierende Bürgermeister entscheidet, bis Hannover mit dem Zug zu fahren, dort auszusteigen und die erste Morgenmaschine nach West-Berlin zu nehmen.
Berlin-Mitte, zur selben Zeit
Auf dem Bahnhof Friedrichstraße müssen Monika Flindt und ihr Freund Walter die S-Bahn verlassen. Die beiden West-Berliner haben sich auf einer Party in Köpenick vergnügt und wollen jetzt nach Hause. Doch auf einmal liegt die Endstation mitten in der Stadt, und ihr stehen Soldaten mit Maschinenpistolen gegenüber. Die Fahrgäste müssen sich ausweisen.
Wie geplant sind drei Stunden nach der "X-Zeit" die meisten passierbaren Stellen an der innerstädtischen Sektorengrenze mit Stacheldraht versperrt.
Reichsbahnarbeiter, die die Schienen der Strecke nach Heiligensee mit schweren Hämmern demontieren, hören von Westen hämische Sprechchöre.
Am S-Bahnhof kommen die ersten Arbeiter an, die in West-Berlin zur Frühschicht wollen. Rudi Thurow und seine Soldaten holen sie aus den Zügen und erklären barsch, dass die Grenze nach West-Berlin geschlossen ist. Die Männer sollten sich Arbeit in der DDR suchen. Ein Arbeiter bettelt darum, doch durchgelassen zu werden: "Sei doch ein Mensch!" Doch Thurow bleibt hart.
Nahe dem Sowjetischen Ehrenmal werden Schüsse gehört. Sofort schickt die Volkspolizeiinspektion Treptow eine Streife los, "im weiteren Umkreis" aufzuklären.
An der Sandkrugbrücke treffen Monika Flindt und ihr Freund Walter erneut auf uniformierte DDR-Posten. Wieder werden sie kontrolliert, die Soldaten machen einen sehr unsicheren Eindruck auf Monika. Sie lassen die beiden West-Berliner durch und geben dem Mädchen sogar einen guten Rat, bevor sie über den ausgerollten Stacheldraht steigt: "Passen Sie auf Ihre Perlonstrümpfe auf, Fräulein!"
Die DDR-Transportpolizei, zuständig für die Sicherheit auf Bahnhöfen, meldet an das Polizeipräsidium, dass sich auf dem Bahnhof Friedrichstraße "Diskussionsgruppen" bilden, also Fahrgäste, die aus ihren Zügen aussteigen mussten und nun miteinander besprechen, was die Sperrung zu bedeuten habe.
Der Kontrollpunkt am Brandenburger Tor meldet: "Drei Zivilisten singen auf der westlichen Seite das Lied ,Brüder zur Sonne zur Freiheit' in Verbindung mit Pfui-Rufen".
Willy Brandt und seine engsten Mitarbeiter verlassen auf dem Hauptbahnhof den Zug und fahren so schnell wie möglich zum Flughafen Hannover, um die erste Maschine nach Berlin zu erreichen.
In den Bahnhof Lehrter Straße rollt ein S-Bahn-Zug aus Richtung Osten ein – der erste seit fast fünf Stunden. An Bord sind ausschließlich West-Berliner, die seit kurz nach Mitternacht haben warten müssen.
Auf insgesamt 28 großen Bahnhöfen stehen Agitationsgruppen der SED bereit, um die Maßnahmen der Regierung zu "erklären". Sie warten auf die Flugblätter, die aus Strausberg angeliefert werden sollen.
Bernau, zur selben Zeit
Unteroffizier Rudi Thurow gibt wie jede halbe Stunde telefonisch einen Lagebericht nach Röntgental durch. Diesmal meldet er: "Es gibt Krawall, und viele sind missgestimmt."
Auf dem Bahnhof Lichtenberg treffen die Flugblätter ein, die den Bürgern der DDR die Grenzschließung erklären sollen.
Franz Amrehn bekommt den Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke ans Telefon.
Allan Lightner wird zum zweiten Mal aus dem Schlaf geklingelt. Ein Mitarbeiter bestätigt, dass Soldaten der DDR-Grenzpolizei und der Nationalen Volksarmee die Sektorengrenze absperren.
Ungewöhnlich früh wird Ursula Brendler von ihrer Mutter geweckt. Die 18-Jährige will an diesem Sonntag mit ihrer Freundin Bärbel eine Radtour machen, durch den Tiergarten. Doch ihre Mutter erzählt ihr aufgeregt: "Im Radio sagen die, dass die Staatsgrenze gesichert wird! Fahrt bloß nicht zum Brandenburger Tor!"
Die Grenzpolizisten der 1. Grenzbrigade auf dem S-Bahnhof Bernau bekommen Unterstützung. 30 Mitglieder der Betriebskampfgruppen und Mädchen in FDJ-Hemden mischen sich unter die Herumstehenden und "erklären" die Grenzsperrung.
Das Lagezentrum des State Department erreicht den Mitarbeiter vom Dienst der Berlin Task Force, John Ausland: "In Berlin geht irgendetwas an den Grenzen vor, aber wir wissen nicht genau was." Ausland entscheidet sich, ins Bett zu gehen.
Nach gut zwei Stunden Erkundungstour durch Ost-Berlin kehrt Richard Smyser zurück in die US-Mission. Er hat Ost-Berlin durch das Brandenburger Tor verlassen, wo zahllose Uniformierte stehen, aber keine Barrikaden. Er muss sich als Offizier der US-Army ausweisen, damit er durchgelassen wird.
An der Kreuzung Brunnen-Bernauer Straße protestieren rund 40 empörte Ost-Berliner gegen die Absperrung.
Ernst Lemmer telefoniert mit Hans Globke. Der Minister für gesamtdeutsche Fragen sagt, er fürchte einen Volksaufstand wie am 17. Juni 1953.
Allan Lightner lässt sich in die Innenstadt fahren. Dort sieht er, dass die Straßen mit Stacheldraht gesperrt werden.
West-Berlins Polizeipräsident Johannes Stumm verschafft sich am Brandenburger Tor einen Eindruck der Lage.
Zwischen Bahnhof Friedrichstraße und West-Berlin fahren im Pendelverkehr wieder Züge. Allerdings ist der Bahnsteig, an dem sie halten, strikt abgeriegelt; nur West-Berliner und Westdeutsche, die sich ausweisen können, dürfen ihn betreten.
Staatssekretär Globke erreicht Konrad Adenauers Haushälterin Resi Schlief. Zuerst weigert sie sich, den 85-jährigen Bundeskanzler zu wecken, dann informiert sie ihn doch.
Die örtliche Volkspolizei-Inspektion meldet: "Agitatoren der Partei verteilen unter Bevölkerung die Erklärung. Stimmung in der VP ist gut."
Konrad Adenauer telefoniert mit Minister Lemmer. Der Kanzler nimmt dessen Sorgen vor einem Aufstand in der DDR zur Kenntnis. Lemmer empfiehlt Adenauer, möglichst schnell nach West-Berlin zu fliegen.
Ein Nachbar klingelt am Steinhäuschen der Familie Jandek in der Laubenkolonie "Helmutstal" Sturm: "Kommt raus, die DDR riegelt die Grenze ab, eure Tochter steht noch im Osten!"
Monika Flindt schließt die Tür zur Wohnung ihrer Eltern auf. Ihr Vater hat sich Sorgen gemacht, weil sie nicht wie üblich um Mitternacht daheim war. "Wo kommst du jetzt her?", brüllt er los. Monika erzählt ihm, dass die Sektorengrenze zu West-Berlin abgesperrt sei, doch ihr Vater glaubt ihr nicht: "Eine bessere Ausrede fällt dir wohl nicht ein!"
Allan Lightner schickt ein verschlüsseltes Vorrangtelegramm ans State Department, mit Kopie an die US-Botschaft in Bonn.
Paul Meier weckt seinen Sohn Rainer: "Die haben die Grenz dichtgemacht!" Vater und Sohn ziehen sich sofort an, um zur kleinen Betonfabrik der Familie zu laufen, die nur wenige Meter von der Sektorengrenze entfernt liegt.
Mit der ersten regulären Maschine aus Hannover trifft Willy Brandt auf dem Flughafen Tempelhof ein. Heinrich Albertz, Johannes Stumm und Franz Amrehn erwarten ihn.
Ein Zug GIs verstärkt die Wachposten der US-Radarstation im südöstlichsten Teil von West-Berlin. Offenbar rechnen sie mit Übergriffen der DDR oder der Sowjets auf ihre geheimen Unterlagen und Technik.
Paul und Rainer Meier stehen vor einer Postenkette in der Nähe der Grenze. Die Uniformierten weigern sich, sie zu ihrer Fabrik zu lassen. Erst als Vater Meier erklärt, dass sie unbedingt die gestern hergestellten Betonsteine wässern müssen, damit die nicht kaputtgehen, lässt ein Offizier sie durch – mit zwei Mann als Bewachung.
Willy Brandt und Franz Amrehn treffen am Potsdamer Platz ein. Wenige Minuten später sind sie am Brandenburger Tor.
Die Mitglieder des West-Berliner Senates treffen sich zu einer außerordentlichen Sitzung im Schöneberger Rathaus. Für den Abend beruft der Senat eine außerordentliche Sitzung des Abgeordnetenhauses ein.
Gegen den Wunsch ihrer Mutter ist Ursula Brendler mit ihrer Freundin Bärbel doch zum Brandenburger Tor gefahren. Noch vor dem Pariser Platz kommen sie nicht mehr weiter. Ursula sieht, wie Uniformierte auf östlicher Seite des Tores Stacheldraht ausrollen. Sie fragt einen der Männer: "Was macht ihr hier?" Die Antwort: "Wir bauen hier eine Grenze!"
Im Polizeipräsidium zieht der Einsatzstab eine erste Bilanz. Der Einsatz der Grenzpolizei ist plangemäß verlaufen. Unbefriedigend dagegen gelang die Alarmierung der Kampfgruppen, von denen acht Stunden nach der vorgesehenen Alarmierung nur ein knappes Fünftel im Einsatz ist.
Die drei westlichen Stadtkommandanten treffen sich in der Kommandantur, um die Lage zu besprechen. Sie beschließen, ihre Regierungen zu informieren, ansonsten aber nichts zu tun.
Wieder klingelt das State Department John Ausland aus dem Bett. Inzwischen ist ein Bericht aus Berlin eingegangen, der das Codewort für die sofortige Information des Präsidenten enthält. Ausland macht sich auf den Weg in sein Büro.
Manfred Migdal versucht an der Oberbaumbrücke, mit seinem West-Berliner Personalausweis nach Kreuzberg zu kommen. Doch ein Offizier verweigert ihm das. Migdal solle ins Polizeipräsidium gehen und sich dort einen Passierschein holen.
Zu einem lange verabredeten Gespräch empfängt Konrad Adenauer den US-Senator Thomas J. Dodd. Bei dem Gespräch teilt Adenauer die Linie der Bundesregierung mit: Härte und Besonnenheit miteinander zu verbinden sei nun das Gebot der Stunde.
Berlin-Johannisthal, etwas später
Der 24-jährige Manfred Wenzel erfährt nach dem Gottesdienst, dass die Grenze geschlossen wurde. Der gläubige Christ entschließt sich, sofort zu fliehen; seine schwangere Frau und seinen kleinen Sohn will er später nachholen.
Nach dem Ende der Senatssondersitzung gibt Egon Bahr, der Pressesprecher des Senates, ein Kommuniqué heraus. Darin heißt es: "Der Senat von Berlin erhebt vor aller Welt Anklage gegen die widerrechtlichen und unmenschlichen Maßnahmen der Spalter Deutschlands, der Bedrücker Ost-Berlins und der Bedroher West-Berlins. Die Abriegelung der Zone und des Sowjetsektors von West-Berlin bedeutet, dass mitten durch Berlin die Sperrwand eines Konzentrationslagers gezogen wird."
Mit einigen Ost-Berliner Freunden steigt Manfred Migdal auf dem Bahnhof Friedrichstraße aus der S-Bahn und geht zur Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. Dort kommen die jungen Männer nicht weiter, weil eine Postenkette den Weg versperrt. Plötzlich fliegen Steine auf die Uniformierten, Manfred Migdal wird die Situation zu gefährlich. Zu Fuß macht er sich auf zum Polizeipräsidium.
Wie Tausende andere West-Berliner kommt auch Wilfried Mommert ans Brandenburger Tor. Der 16-Jährige ist aufgewühlt, er stimmt ein in die Sprechchöre: "Stacheldraht weg!" Direkt gerichtet an die Grenzer ruft er: "Schämt euch!"
Willy Brandt trifft sich in der Alliierten Kommandantur in der Kaiserswerther Straße mit den westlichen Stadtkommandanten. Es ist das einzige Mal, dass Brandt dieses Gebäude betritt.
In der Elsenstraße direkt an der Grenze haben sich etwa 1500 Ost-Berliner versammelt, die in den Westen wollen. Die Offiziere vor Ort fordern Panzerspähwagen als Unterstützung an.
Manfred Migdal trifft im Polizeipräsidium ein. Er verlangt einen Passierschein, gibt seinen West-Berliner Ausweis ab und soll warten. Man werde ihn aufrufen.
Ein Spitzel aus West-Berlin meldet der Stasi-Zentrale, dass bei den am Sonntag geöffneten Büros der westlichen Fluggesellschaften Tickets stark nachgefragt seien. Pan-Am und British Airways planen, zusätzliche Maschinen einzusetzen.
Die Inspektion meldet an das Lagezentrum im West-Berliner Polizeipräsidium, dass bis auf die Friedrichstraße und die Oberbaumbrücke die Grenze zu Friedrichshain und Mitte unpassierbar ist.
West-Berliner Polizisten müssen die eigenen Bürger auf der westlichen Seite des Brandenburger Tors zurückdrängen, damit es nicht zu Gewalt gegen DDR-Uniformierte kommt.
Mit seinem Motorroller fährt Claus Böttcher zur Eberswalder Straße an die Grenze. Er macht Fotos von den Absperrungen.
Am Brandenburger Tor fahren Panzer der 8. Motorisierten Schützendivision auf. Auch an der Oberbaumbrücke halten sich Kampfpanzer in Bereitschaft.
Plötzlich sieht sich Claus Böttcher von Uniformierten umstellt. Er wird ins Revier Eberswalder Straße gebracht und dort verhört.
Am Bethaniendamm kommt es zu einem Streit zwischen Grenzpolizisten und West-Berlinern. Die Uniformierten vertreiben die Demonstranten mit Bajonetten von Ost-Berliner Gebiet.
Das Cabinet Office informiert Premierminister Harold Macmillan über die Situation in Berlin. Der britische Regierungschef entscheidet, seine Wochenendjagd wie geplant fortzusetzen.
Mehrfach transportieren Monika Jandek und ihre Schwester Hausrat der Familie per Kinderwagen aus Prenzlauer Berg in die Nähe der Sektorengrenze. Sie wollen so viel wie möglich mitnehmen, wenn sie die DDR verlassen.
Nach stundenlangem Warten wird Manfred Migdal aufgerufen. Ein DDR-Polizist fragt ihn: "Was hast du in Friedrichshain gemacht?" Migdal antwortet, er habe seine Mutter besucht. "Und du bist West-Berliner?" Migdal bestätigt. Plötzlich fährt ihn der Uniformierte an: "Nein, bist du nicht. Du bist DDR-Bürger, und du bleibst DDR-Bürger!" Migdal wird abgeführt.
Mit einem Lastwagen werden Claus Böttcher und weitere Festgenommene zur Volkspolizei-Inspektion Senefelderplatz gebracht. Weitere Verhöre folgen.
John F. und Jackie Kennedy gehen mit ihren Kindern in den Gottesdienst. Danach wollen sie mit ihrer Motoryacht aufs Meer fahren. Noch weiß der Präsident offenbar nichts von den Ereignissen in Berlin.
Im SPD-Kreisbüro, einer der letzten noch erhaltenen Vertretungen der SPD in Ost-Berlin, treffen sich rund 20 Mitglieder der Ost-SPD. Obwohl klar ist, dass der Druck der SED nun noch mehr zunehmen wird, lehnen die Parteimitglieder eine Auflösung ab. Die Stasi ist mit mindestens zwei Spitzeln in der Runde vertreten.
Gerade haben die Kennedys mit ihrem Kabinenkreuzer "Marlin" abgelegt, als aus dem Weißen Haus eine Eilmeldung über die Grenzsperrung in Berlin eintrifft. Sofort wird der Secret-Service-Personenschützer auf dem Boot angefunkt, der Kennedy informiert. Der Präsident lässt sich mit Außenminister Dean Rusk verbinden und bespricht mit ihm eine erste Erklärung der US-Regierung. Dann entscheidet er, die Bootstour fortzusetzen. Erst nach fünf Stunden macht die "Marlin" wieder fest.
Das West-Berliner Abgeordnetenhaus kommt zu einer Sondersitzung zusammen. Willy Brandt hält eine sehr emotionale Rede: "Die vom Ulbricht-Regime auf Anforderung der Warschauer-Pakt-Staaten verfügten und eingeleiteten Maßnahmen zur Abriegelung der Sowjetzone und des Sowjetsektors von West-Berlin sind ein empörendes Unrecht."
Der Regierende Bürgermeister findet klare Worte: "In Wahrheit hat das kommunistische Regime in den letzten 48 Stunden das Eingeständnis dafür geliefert, dass es selbst schuld ist an der Flucht von Deutschen nach Deutschland. Eine Clique, die sich Regierung nennt, muss versuchen, ihre eigene Bevölkerung einzusperren. Die Betonpfeiler, der Stacheldraht, die Todesstreifen, die Wachtürme und die Maschinenpistolen, das sind die Kennzeichen eines Konzentrationslagers."
Im State Department gibt Dean Rusk eine Erklärung zu den Ereignissen ab, in der er den sowjetischen Block scharf kritisiert: "Die Behauptung, dass der Kommunismus nur friedlichen Wettstreit wünscht, ist als Schein entlarvt; die Flüchtlinge, von denen über die Hälfte weniger als 25 Jahre alt ist, haben ,mit ihren Füßen darüber abgestimmt', ob der Kommunismus die tragende Kraft der Zukunft ist." Konkrete Gegenmaßnahmen kündigt der US-Außenminister nicht an.
Allan Lightner schickt ein Vorrang-Telegramm nach Washington D.C., in dem er um Weisungen von der Regierung ersucht.
Nach stundenlangem Warten am Ufer des Teltowkanals findet Manfred Wenzel die Kraft, die Flucht zu versuchen. Bei sich hat er seine Papiere und frische Kleidung, wasserdicht in Folie verpackt. Zwei DDR-Posten auf der Stubenrauchbrücke sehen ihn nicht.
Ein Informant in Ost-Berlin berichtet dem BND, in der SED-Führung herrsche "Siegesstimmung wie nie zuvor".
Völlig erschöpft kommt Heinz Kube ins Rote Rathaus. Als Mitglied der "Kampfgruppen" hat er mehr als zwölf Stunden in der Nähe des Brandenburger Tors in vorderster Reihe strammgestanden. Jetzt folgen ein paar wenige Stunden Schlaf auf dem nackten Boden des Saals im Ost-Berliner Rathaus.
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