Geiseldrama bei Olympia: München 1972 – das Protokoll einer Katastrophe
Das Unvorstellbare geschah am elften Tag: Im Kugelhagel palästinensischer Terroristen endete der Traum von den "heiteren Spielen". Zehn Tage lang hatte München seit dem 26. August 1972 die Welt begeistert mit Olympischen Sommerspielen, wie es sie ähnlich offen, fröhlich und modern nie zuvor gegeben hatte. Doch dann waren, am frühen Morgen jenes Dienstags, des 5. September 1972, auf einen Schlag die Leichtigkeit und die Freude vorbei.
Die Bundesrepublik hatte sich als ziviles Land präsentieren wollen, weshalb die sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen so weit wie möglich reduziert worden waren. Keine Polizeiuniform sollte auf dem Olympia-Gelände und im olympischen Dorf zu sehen sein; ein in hellblaue Hosen und Jacken gekleideter ziviler Ordnungsdienst übernahm die Aufgaben, auf dem Areal für Ruhe und Sicherheit zu sorgen.
Die mehr als 2000 Mitglieder waren durchweg erfahrene Polizeibeamte, aber sie waren bis auf die Nachtschicht unbewaffnet im Einsatz. Sie hatten nichts, was sie den Kalaschnikows der Terroristen entgegensetzen konnten.
2 Uhr, Hotel Eden
In einem Mittelklassehotel am Münchner Hauptbahnhof treffen sich neun Palästinenser. Sechs von ihnen waren in den vorangegangenen Tagen aus Syrien und dem Libanon nach München eingereist; zwei weitere, die sich "Issa" und Tony" nennen, sind bereits seit Wochen in München. Die acht tragen Trainingsanzüge. Der neunte Mann ist älter und trägt zivil; er ist der Kontaktmann zur Terrororganisation "Schwarzer September".
2.15 Uhr, olympisches Dorf
Die Nachtschicht des Ordnungsdienstes vermerkt im Diensttagebuch: "Keine besonderen Vorkommnisse".
2.30 Uhr, Hotel Eden
Issa gibt an Tony und die sechs Männer Waffen aus: Jeder bekommt eine Kalaschnikow mit zwei Magazinen und eine Handgranate. Sie umwickeln die Maschinenpistolen mit Kleidungsstücken und legen sie in Sporttaschen. Ihre gefälschten Pässe übergeben sie Abu Daoud, der sie vernichtet und untertaucht.
3.15 Uhr, Hauptbahnhof
Die erste Gruppe von drei Palästinensern nimmt ein Taxi. Die übrigen fünf Männer folgen mit weiteren Taxis.
4.20 Uhr, Olympia-Park, Tor 25a
Einige Beamte des Olympia-Postamtes sind auf dem Weg zur Frühschicht. Ihnen fällt auf, wie fünf bis zehn junge Männer in Trainingsanzügen und mit Sporttaschen den zwei Meter hohen Außenzaun des olympischen Dorfes überklettern. Die Postmitarbeiter denken sich nichts dabei.
4.30 Uhr, Revier des Ordnerdienstes
Kriminalobermeisterin Gertrud L. beginnt eine Fußstreife durch das Dorf. Die 36-jährige Beamtin, abgeordnet zum zivilen Ordnerdienst der Olympischen Spiele, hat seit 23 Uhr Dienst.
4.40 Uhr, Treppenhaus der Connollystraße 31
Die acht Palästinenser haben ihre Trainingsanzüge gegen zivile Kleidung ausgetauscht, ihre Waffen geladen und sind jetzt bereit, das israelische Quartier zu stürmen. Issa und ein weiterer Terrorist dringen ins Treppenhaus ein und gehen zunächst in den zweiten Stock. Doch dort schlafen Sportler aus Hongkong und Korea. Issa fürchtet, die israelische Mannschaft könnte kurzfristig verlegt worden sein, und steht kurz davor, den Überfall abzublasen. Erst beim Weg zurück auf die Straße unter der Fußgänger-Ebene fallen ihm jüdisch klingende Namen an einer Wohnung auf. Die Tür ist nur mit dem Schnapper gesichert, aber nicht abgeschlossen.
4.45 Uhr, in der Connollystraße 31
Der 30-jährige Tuvia Sokolsky, Trainer der israelischen Gewichtheber, schreckt auf. Durch die halb offene Tür seines Zimmers sieht er, dass sich sein Kollege Joseph Gutfreund gegen die Wohnungstür stemmt. Sokolsky greift sich eine Hose, reißt die Terrassentür auf und rennt aus dem Haus. Hinter sich hört er eine Salve aus einer Maschinenpistole.
Zur selben Zeit, im Treppenhaus
Issa schießt durch den Türspalt ins israelische Quartier. In der anschließenden Schrecksekunde können zwei weitere Palästinenser die Tür aufdrücken. Einer schießt den Ringer-Trainer Moshe Weinberg nieder, die übrigen Israelis geben ihren Widerstand auf.
4.48 Uhr, auf der Connollystraße
Schon seit 20 Minuten wartet Raoul L. vor dem Quartier der Bahamas. Der Wehrpflichtige ist als Mannschaftsfahrer eingeteilt und soll mehrere Sportler aus den Bahamas zum Flughafen bringen. Plötzlich läuft ihm ein verängstigter Mann in die Arme, der in gebrochenem Deutsch stammelt: "Schießen, schießen, mein Freund tot! Polizei rufen!"
4.52 Uhr, in der Connollystraße 31
Die drei Geiseln aus der zuerst gestürmten Wohnung führen die Terroristen durch das Treppenhaus zum Quartier der israelischen Kraftsportler. Die Palästinenser öffnen die Tür und bedrohen die Sportler, doch der Gewichtheber Joseph Romano wehrt sich. Wieder schießt ein Terrorist und trifft Romano.
Zur selben Zeit
Es gelingt Raoul L. im Quartier der koreanischen Mannschaft einen Betreuer aus dem Schlaf zu klingeln, der ihn mit der Polizei telefonieren lässt. Der junge Bundeswehrsoldat meldet den Überfall. Als wieder Schüsse knallen, schließt sich Tuvia Sokolsky aus Angst in der Toilette ein.
4.56 Uhr, in der Connollystraße 31
Der 28-jährige israelische Ringer Gad Tsobari wird von den Terroristen zusammen mit anderen Geiseln das Treppenhaus hinuntergeführt. Er kann sich losreißen und flüchten.
5.03 Uhr, Connollystraße 31
Ein Kriminalobermeister nähert sich mit gezogener Pistole der Haustür des israelischen Quartiers. Als er den Kopf in den Flur hineinsteckt, fährt ihn ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Mann an: "Weg da!"
5.06 Uhr, Polizeipräsidium
Alle verfügbaren Funkstreifen werden zum olympischen Dorf geschickt.
5.08 Uhr, vor der Connollystraße 31
Gertrud L. hört noch eine Salve aus einer Maschinenpistole.
5.12 Uhr, Polizeipräsidium
Der diensthabende Beamte in der Einsatzzentrale gibt die Anweisung, Polizeipräsident Manfred Schreiber und seinen Vize Georg Wolf zu alarmieren. Schreiber geht ans Telefon, Wolf ist nicht zu erreichen.
5.22 Uhr, vor der Connollystraße 31
Issa, der einen beigen Anzug sowie einen Stoffhut trägt, übergibt Gertrud L. vier mit Schreibmaschine beschriebene Seiten. Die Polizistin ist die Einzige, die sich dem Eingang des Hauses nähern darf. Sie unterhält sich auf Deutsch mit dem Terroristen-Anführer.
5.25 Uhr, Polizeipräsidium
Per Funk wird der Inhalt des Communiqués durchgegeben: Bis 9 Uhr sollen mehr als 200 Personen aus israelischer Haft freigelassen werden, die auf einer Liste stehen. Darauf finden sich auch die Namen weiterer Terroristen, darunter Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
5.29 Uhr, vor der Connollystraße 31
Issa teilt Gertrud L. mit, man brauche einen Notarzt. Man werde einen Verletzten vor die Tür bringen.
5.35 Uhr, vor der Connollystraße 31
Der Notarzt kann nur noch den Tod von Moshe Weinberg feststellen. Zwei Polizisten bergen den Leichnam.
Zur selben Zeit, Olympia-Wache
Der Schichtleiter informiert das bayerische Innenministerium über die Ereignisse im olympischen Dorf. Minister Bruno Merk (CSU) soll so schnell wie möglich unterrichtet werden.
5.40 Uhr, Olympia-Wache
Vorsichtshalber ordnet der diensthabende Schichtleiter an, Gewehre für Scharfschützen zu beschaffen. Die Münchner Polizei verfügt über Sturmgewehre des Typs G3 mit Zielfernrohren.
Zur selben Zeit
Manfred Schreiber trifft im olympischen Dorf ein.
5.45 Uhr, Olympia-Wache
Ein Beamter vermerkt im Diensttagebuch, dass Walther Tröger informiert worden sei. Als Bürgermeister des olympischen Dorfes ist er für alle Belange im Quartier der 12.000 Olympia-Teilnehmer zuständig.
5.57 Uhr, Krisenstab
Polizeipräsident Schreiber hat einen Krisenstab in der Olympia-Wache gebildet. Zuerst wird die Lage festgehalten: "Nach gegenwärtigem Stand hält ein Palästinenserkommando mindestens 26 israelische Sportler in seiner Gewalt und fordert die Freilassung von 200 Personen auf einer Liste bis 12 Uhr". Die Verlängerung des Ultimatums haben die Terroristen von vorneherein beabsichtigt: Sie haben eine zweite Fassung ihres Communiqués dabei, in der statt von 9 Uhr von 12 Uhr als Frist die Rede ist.
6 Uhr, vor der Connollystraße 31
Issa und Gertrud L. kommen ins Gespräch. Die Polizistin fragt den Anführer der Terroristen, warum er die israelischen Sportler angreife. Issa antwortet sinngemäß: "Revolution muss dort gemacht werden, wo sie nötig ist!"
Zur selben Zeit, Connollystraße 24
Aus den dem israelischen Quartier gegenüberliegenden DDR-Mannschaftswohnungen informiert ein Anrufer drei DDR-Sportjournalisten, dass "bewaffnete Kräfte nachts in das olympische Dorf eingedrungen sind und das Haus der israelischen Mannschaft besetzt haben. Es gab Schießereien, und es soll Tote gegeben haben."
6.10 Uhr, Bonn
Der Lagedienst des Bundesinnenministeriums verlangt einen Bericht.
6.25 Uhr, Bonn
Das Bundesinnenministerium informiert den Sicherheitsbeauftragten der israelischen Botschaft.
6.26 Uhr, Krisenstab
Bruno Merk kommt im olympischen Dorf an und übernimmt die Leitung des Einsatzes.
6.30 Uhr, Polizeipräsidium
Drei als gute Schützen bekannte Beamte der Münchner Stadtpolizei bekommen den Befehl, ins olympische Dorf zu fahren.
Zur selben Zeit, olympisches Dorf
Die drei DDR-Sportjournalisten Martin Kramer, Dieter Wales und Wolfgang Gitter kommen zum olympischen Dorf. Alles macht einen ruhigen Eindruck, besondere Absperrungen sind nicht erkennbar. Sie halten ihre Erlebnisse minutiös in einem Bericht fest, der an die Stasi geht.
6.37 Uhr, Olympia-Wache
Ein Nachrichtenredakteur des Bayerischen Rundfunks fragt an, was im olympischen Dorf passiert sei. Nach Rücksprache teilt der diensthabende Beamte mit, der Polizeipräsident habe eine Nachrichtensperre verhängt.
6.46 Uhr, Krisenstab
Willy Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, trifft ein.
6.58 Uhr, olympisches Dorf
Hans-Dietrich Genscher trifft am Tor 10 ein. Der Bundesinnenminister hat in München übernachtet.
7 Uhr, Bayerischer Rundfunk
Die erste Meldung über den Vorfall: Im olympischen Dorf sei geschossen worden, auf israelische Sportler. Die Polizei habe eine Nachrichtensperre verhängt.
7.10 Uhr, Krisenstab
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, der US-Amerikaner Avery Brundage, knapp 85 Jahre alt, trifft im Krisenstab ein.
7.30 Uhr, Bundeskanzleramt Bonn
Telefonisch informiert Genscher Willy Brandt. Der Bundeskanzler beruft sofort für 11.30 Uhr eine Kabinettssondersitzung ein und beschließt, statt zu den Segel-Wettbewerben nach Kiel nun nach München zu fliegen.
7.45 Uhr, Tor an der Connollystraße
Problemlos gelangen die DDR-Sportjournalisten Dieter Wales und Wolfgang Gitter in die unmittelbare Nähe des besetzten Hauses. Ein Polizist sagt ihnen: "Sie wollen zu Ihrer Mannschaft? Na, gehen Sie nur!"
7.50 Uhr, vor der Connollystraße 31
Die 42-jährige Kriminalhauptmeisterin Anneliese Graes aus Essen übernimmt von ihrer Kollegin Gertrud L. die Funktion als Kontaktperson zu den Geiselnehmern. Ihr fällt auf, dass der Terroristen-Anführer sehr gut Deutsch spricht, allerdings mit deutlichem französischem Akzent. Oft sagt er "Oh la la …"
8 Uhr, Krisenstab
Polizeivizepräsident Georg Wolf trifft im olympischen Dorf ein. Der Chef der Münchner Schutzpolizei hat eigentlich dienstfrei, ist aber, als er um 7.30 Uhr im Radio von dem Anschlag gehört hat, sofort aufgebrochen.
8.15 Uhr, DDR-Quartier in der Connollystraße
Wolfgang Gitter betritt das Zimmer des DDR-Verbandstrainers Harry Roewer genau gegenüber der von Terroristen besetzten Wohnung. Die Entfernung beträgt etwa 15 Meter. Gitter kann neben dem Anführer Issa fünf weitere bewaffnete Terroristen genau erkennen und sieht sogar das Goldkettchen, das Tony um den Hals trägt.
8.29 Uhr, Krisenstab
Polizeipräsident Schreiber entscheidet, die Arbeit aufzuteilen: Mit Merk, Genscher, Tröger und einigen Mitarbeitern bildet er einen politischen Krisenstab. Seinem Stellvertreter Georg Wolf überträgt er die Koordination des Polizeieinsatzes, dafür wird ein Einsatzstab gebildet.
8.35 Uhr, vor der Connollystraße 31
Zum ersten Mal kommen Merk, Schreiber und Tröger zum Tatort, um direkt mit Issa zu sprechen. Sie warten in einigen Metern Abstand, dann geht Anneliese Graes vor und klopft; Issa kommt herunter. Das Gespräch dauert fünf Minuten.
8.55 Uhr, vor der Connollystraße 31
Ahmed E. Touny, für Ägypten Mitglied im IOC, spricht mit Issa. Er versucht, mehr Zeit als die bisher zugestandene erste Verlängerung des Ultimatums bis 12 Uhr herauszuholen, scheitert damit aber.
9 Uhr, Olympiastadion
Vor überwiegend gefüllten Rängen beginnt der elfte Tag der Olympischen Sommerspiele 1972. Viele Stadionbesucher haben auf der Anfahrt von den Ereignissen nichts mitbekommen.
9.15 Uhr, Polizeieinsatzstab
Ein Gerücht kursiert: Drei bewaffnete Täter wollen ausbrechen. Bei den nur mit Dienstpistolen oder gar nicht bewaffneten Polizisten und Ordnern rund um das Haus Connollystraße 31 kommt Nervosität auf. Woher das Gerücht stammt, ist unklar.
9.20 Uhr, vor der Connollystraße 31
Wieder sprechen die Mitglieder des politischen Krisenstabes mit Issa. Der Anführer der Terroristen überreicht ein drittes vorbereitetes Communiqué.
9.45 Uhr, unter der Connollystraße 31
Dem DDR-Sportjournalisten Dieter Wales fällt auf, dass der Zugang des israelischen Quartiers auf der Straßenebene von einem Mann mit Kalaschnikow bewacht wird. Damit ist klar, dass mindestens sieben Terroristen an der Geiselnahme beteiligt sind.
Zeitgleich, Bonn
Willy Brandt telefoniert mit verschiedenen internationalen Spitzenpolitikern, um Möglichkeiten auszuloten, wie auswärtige Mächte in der Lage helfen können.
9.54 Uhr, Olympia-Wache
Der Polizeieinsatzstab erfährt, dass über eine Befreiungsaktion israelischer Spezialkräfte gemunkelt wird. Vizepräsident Georg Wolf wiegelt ab: "Dabei dürfte es sich um ein Gerücht handeln." Sein Vorgesetzter Manfred Schreiber ist sich nicht so sicher: Vielleicht werde es dazu tatsächlich kommen. Im Verlauf des Tages kursiert das Gerücht noch mehrfach.
10.26 Uhr, Krisenstab
Angeblich soll es sich um 21 Terroristen handeln, die 26 Geiseln gefangen halten, schreibt ein Mitarbeiter des Krisenstabes. Die Quelle dieser Angaben soll Anneliese Graes sein. Die erfahrene Beamtin aber hat in Wirklichkeit nur mitgeteilt, dass Issa ihr gegenüber von "20 Kameraden" spricht, sie ihm aber nicht glaubt. Issa behauptet auch, dass Tony sein Bruder sei und er selbst Olympiasieger. Offenkundig will er Verwirrung stiften.
10.30 Uhr, Polizeieinsatzstab
Zwei Mitarbeiter der Bauleitung erklären dem Einsatzstab die Räumlichkeiten im Haus Connollystraße 31. Das Gebäude, errichtet aus vorproduzierten Betonplatten, ist für die Terroristen leicht zu verteidigen: Die Außenwände der Wohnung sind alle massiv, lediglich Türen und Fenster können eingeschlagen oder gesprengt werden.
Zeitgleich, Krisenstab
Die Leitung der israelischen Mannschaft teilt mit, dass zehn Sportler und Betreuer vermisst werden, nicht 26. Über die Zahl der Terroristen herrscht Unklarheit.
10.54 Uhr, Flughafen Fürstenfeldbruck
Israels Botschafter Eliashiv Ben-Horin ist mit einer Bundeswehrmaschine gelandet. Dort wartet ein Hubschrauber, der den Diplomaten sofort zum Krisenstab bringt. Ben-Horin bekommt einen eigenen Raum mit Standleitung nach Israel.
11 Uhr, Jerusalem
Das israelische Kabinett unter Premierministerin Golda Meir tritt zusammen. Auf gar keinen Fall soll nachgegeben werden. Ben-Horin wird beauftragt, den Krisenstab in München zu unterrichten, Golda Meir telefoniert mit Willy Brandt.
Zeitgleich, vor der Connollystraße 31
Maria S., Kriminaloberkommissarin und Schichtleiterin des Ordnungsdienstes, spricht mit Issa. Sie fragt ihn: "Warum muss sich diese Tat ausgerechnet bei der Olympiade ereignen?" Issa antwortet auf Deutsch: "Es ist ein Akt der Rache, denn die Araber wurden im Jahr 1948 von den Israelis verjagt. Es ist schlimm für Menschen, keine Heimat zu haben." Die Beamtin fragt zurück: "Warum gerade München?" Daraufhin erklärt der Terrorist: "Hier, wo die Welt zusammengekommen ist, müssen wir aufmerksam machen auf das Leid der Araber."
11.09 Uhr, Polizeieinsatzstab
Im Auftrag von Vizepräsident Georg Wolf ersuchen mehrere Polizisten die wichtigsten Fernsehsender, keine Live-Aufnahmen vom olympischen Dorf zu zeigen. Doch inzwischen sind schon so viele Kamerateams rund um die Connollystraße 31 im Einsatz, dass die Nachrichtensperre nicht mehr durchgesetzt werden kann. Der US-Sender ABC hat ein Superteleobjektiv vom 291 Meter hohen Olympiaturm auf das Dach des besetzten Hauses gerichtet. Der ABC-Reporter John Wilcox schickt aus den Zimmern des burmesischen Fußballteams fast genau gegenüber der Connollystraße 31 Bilder an seinen Sender, sein britischer Kollege Gerald Seymour dreht für den Nachrichtensender ITV von einem etwas weiter entfernt stehenden Haus. Sogar Dan Shilon vom israelischen Fernsehen richtet seine Kamera auf das besetzte Haus.
11.15 Uhr, Krisenstab
Ben-Horin erklärt Merk und Genscher, die Regierung Israels vertraue auf die Entscheidungen der deutschen Behörden. Es handele sich um einen Kabinettsbeschluss.
Zeitgleich, Pressezentrum
Manfred Schreiber gibt vor Journalisten eine Erklärung ab. Er berichtet über den Anschlag, das erste Todesopfer Moshe Weinberg und stellt fest, dass weder der Vorschlag, "Geldmittel in unbegrenzter Höhe" bereitzustellen, noch das Angebot deutscher Ersatzgeiseln die Terroristen bewegen konnte, die israelischen Sportler und Betreuer freizugeben.
Zeitgleich, Polizeieinsatzstab
IOC-Präsident Avery Brundage schlägt vor, Täter und Geiseln durch ein schnell wirkendes Betäubungsgas außer Gefecht zu setzen. Doch die Chemie-Experten der Münchner Polizei erklären, dass es solche Mittel nur im Kino gibt, aber nicht in Wirklichkeit.
Zeitgleich, vor der Connollystraße 31
Walther Tröger kommt erneut mit Ägyptens IOC-Mitglied Touny zum besetzten Haus. Die DDR-Sportjournalisten halten in ihrem Bericht für die Stasi fest: "Es scheint eine Einigung über die Verlängerung des Ultimatums zu geben."
11.20 Uhr, Polizeieinsatzstab
Die Einsatzleitung beschließt, dass Präzisionsschützen eingesetzt werden sollen. Ihr Auftrag lautet, die "Täter auszuschalten und Feuerschutz für vorgehende Kräfte zu gewährleisten". Wolf legt Rufzeichen für die Scharfschützen fest: Die Vorwarnung soll mit der Durchsage "Sonne bricht durch" erfolgen, der Einsatzbefehl lautet "Sonnenstrahl".
11.30 Uhr, Bonn
Willy Brandt erteilt Innenminister Hans-Dietrich Genscher mit Zustimmung des Kabinetts die Vollmacht, "im Zusammenwirken mit der Bayerischen Landesregierung die notwendigen Bemühungen für eine Rettung der Geiseln" einzuleiten.
Zeitgleich, München-Innenstadt
Auf dem Marienplatz hat sich eine Spontandemonstration gebildet, die zum olympischen Dorf ziehen will, um gegen die Geiselnahme zu protestieren.
11.31 Uhr, Connollystraße 24
Polizisten auf Beobachtungsstation melden, dass die Terroristen dauernd ihre Hemden und Masken wechseln. Die Täter kommen danach zu den Fenstern und lassen sich sehen. Die Beamten vermuten, dass so der Eindruck erweckt werden soll, es handele sich um mehr Täter. Gesichert ist zu dieser Zeit eine Mindestanzahl von vier Tätern, doch die Einsatzleitung geht von fünf Terroristen aus.
11.40 Uhr, Pressezentrum
Conrad Ahlers, der Sprecher der Bundesregierung, äußert sich im Fernsehen. Seine Ausführungen werden so verstanden, dass allein das Land Bayern für die Bewältigung der Krise verantwortlich sei – dabei stellt Ahlers lediglich klar, wie die Zuständigkeiten in der Bundesrepublik verteilt sind.
11.42 Uhr, Polizeieinsatzstab
Die Einsatzleitung beschließt, dass 36 Mann beim Sturm eingesetzt werden sollen, darunter die meisten Sonderfahnder der Münchner Polizei, die eine spezielle Ausbildung für Festnahmen haben. Den Sturm auf ein besetztes Gebäude aber hat keiner von ihnen jemals trainiert.
11.58 Uhr, vor der Connollystraße 31
Das Ultimatum wird zunächst um eine Stunde bis 13 Uhr verlängert.
12.19 Uhr, Polizeieinsatzstab
Polizeivizepräsident Georg Wolf geht davon aus, kurz vor 13 Uhr den Befehl zum Sturm erteilen zu müssen.
12.25 Uhr, Polizeieinsatzstab
Mehrere Panzerwagen sind auf dem Weg ins olympische Dorf. Sie können aber wegen der Bauweise der Anlage nicht bis an die Connollystraße heranfahren und sind weitgehend nutzlos.
12.30 Uhr, Connollystraße 31
Auf Vermittlung von Anneliese Graes kann Issa mit einer Nummer in Tunis telefonieren. Der BND schneidet das Gespräch mit, doch offenbar erreicht der Anführer der Terroristen die gewünschte Person nicht. Jedenfalls kommt kein inhaltliches Gespräch zustande.
12.41 Uhr, Krisenstab
Merk, Genscher und Schreiber erfahren von dem Telefonat mit Tunis. Die Sorge wächst, dass um 13 Uhr mit dem Ablauf des verlängerten Ultimatums erneut geschossen und gemordet werden könnte.
12.57 Uhr, vor der Connollystraße 31
Issa teilt Anneliese Graes mit, dass das Ultimatum bis 15 Uhr verlängert werde.
13.10 Uhr, Pressezentrum
Regierungssprecher Conrad Ahlers begründet im Fernsehen, warum die Wettkämpfe trotz der Geiselnahme weitergehen: Es handele sich um eine Entscheidung des IOC, nicht der Bundesregierung.
13.14 Uhr, Polizeieinsatzstab
Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärt der Einsatzleitung, dass die Namen der Präzisionsschützen auf keinem Schriftstück auftauchen dürfen, wenn man vor der Öffentlichkeit geheim halten will, um wen es sich handelt.
13.25 Uhr, vor der Connollystraße 31
Issa verlangt Verpflegung für 20 Personen. Der Krisenstab beschließt, dass zwei als Köche verkleidete Polizisten so viele Kisten vor die Tür stellen sollen, dass die beiden Beamten zum Hinauftragen in die Wohnung benötigt werden. Man hofft, so einen Einblick in die Lage der Geiseln zu bekommen.
13.30 Uhr, Bonn
Willy Brandt startet nach München. Er will in der Nähe sein, jedoch nicht beim Krisenstab selbst, in dem Genscher Vertreter der Bundesregierung bleibt.
13.43 Uhr, Polizeieinsatzstab
Vizepräsident Georg Wolf erlässt ein allgemeines Schießverbot, außer in Fällen eindeutiger Notwehr etwa bei einem überraschenden Ausbruchsversuch.
13.56 Uhr, vor der Connollystraße 31
Die Terroristen werden unruhig, meldet Anneliese Graes, weil das Essen immer noch nicht da ist.
14.04 Uhr, Polizeieinsatzstab
Immer mehr Schaulustige strömen an die Absperrungen. Zusätzliche Sicherheitskräfte sind nötig.
14.17 Uhr, vor der Connollystraße 31
Schreiber und Tröger sprechen mit Issa, während zwei verkleidete Polizisten fünf Kisten mit Verpflegung vor die Haustür stellen. Issa trägt jede Kiste einzeln hoch in die besetzte Wohnung. Als Issa wieder herauskommt, ruft ihm Schreiber zu: "Sie bleiben bei drei Uhr?" Der Terroristenanführer bestätigt: "Ja, ich bleibe dabei!"
14.25 Uhr, Polizeieinsatzstab
Die US-Militärpolizei hat der Münchner Polizei zusätzliche schusssichere Westen zur Verfügung gestellt. Sie werden an Mitglieder des Sturmtrupps ausgegeben.
14.40 Uhr, Connollystraße 24
Die DDR-Beobachter halten in ihrem Protokoll fest: "Die Freischärler bieten ein Bild der Ruhe und Selbstsicherheit. Im ersten Stock lehnt einer der Posten aus dem Fenster und beobachtet die Straße, als ob er sich sonnt, dazu raucht er ununterbrochen."
14.45 Uhr, vor der Connollystraße 31
Wieder sprechen Manfred Schreiber und Walther Tröger mit Issa. Nach mehreren Minuten Diskussion stimmt der Terroristen-Chef zu, das Ultimatum bis 17 Uhr zu verlängern. Die rund um das Haus postierten Polizisten werden angefunkt: "Keinerlei Aktionen vornehmen, Schreiber verhandelt gerade!"
14.49 Uhr, Krisenstab
Erneut verlangen die Politiker und Sicherheitsexperten im Lagezentrum, dass die Liveübertragungen aller TV-Sender aus dem olympischen Dorf aufhören. Doch es gibt keine zentrale Kontrollstelle, die angewiesen werden könnte, die Nachrichtensperre durchzusetzen.
14.55 Uhr, hinter der Connollystraße 31
Über Funk hören Beamte des Sturmkommandos, dass das Ultimatum bis 17 Uhr verlängert worden sei.
15 Uhr, Feldafing
Willy Brandt trifft in der zeitweiligen Außenstelle des Kanzleramtes während der Olympischen Spiele ein, der Villa Waldberta am Starnberger See. Von hier aus versucht er, per Telefon politische Unterstützung für den Krisenstab im olympischen Dorf zu organisieren.
15.20 Uhr, Krisenstab
Israels Geheimdienstchef Tzwi Zamir und der Anti-Terror-Experte Victor Cohen sind angekommen. Zamir spricht mit Genscher und Merk; ob er dabei anbietet, die israelische Spezialeinheit Sajeret Matkal einzusetzen, ist unklar.
15.38 Uhr, Büro des IOC
Avery Brundage willigt ein, die Wettkämpfe zu unterbrechen. Zugleich fordert er, die Bundesregierung dürfe keinesfalls den Terroristen gestatten, zusammen mit den israelischen Geiseln Deutschland zu verlassen.
15.45 Uhr, Olympia-Stadion
Der Stadionsprecher gibt bekannt, dass die Spiele bis zur Klärung der Lage im olympischen Dorf unterbrochen werden. Nur die noch laufenden Wettbewerbe sollen zu Ende geführt werden.
15.53 Uhr, Olympia-Park
Etwa 500 pro-israelische Demonstranten nähern sich dem olympischen Dorf. Sie skandieren: "Helft, helft, helft den Israelis!"
16 Uhr, Olympia-Stadion
Das Stadion leert sich, viele Besucher strömen in Richtung olympisches Dorf. Mindestens 100.000 Schaulustige drängen sich rund um den Zaun.
16.15 Uhr, in der Connollystraße 31
Tony, der Terrorist am Fenster des Treppenhauses, lacht die DDR-Beobachter im Haus gegenüber an, hebt die Fäuste und spreizt die Finger seiner rechten Hand zum Victory-Zeichen.
16.32 Uhr, Olympia-Park
Bereitschaftspolizisten beginnen, die Fußgängerwege westlich der Connollystraße zu räumen. Die Anweisung kommt vom Polizeiführungsstab, weil die Schaulustigen dort im Schussfeld stehen, falls die besetzte Wohnung gestürmt wird.
16.35 Uhr, Polizeieinsatzstab
An alle Beamten ergeht die Mitteilung: "Sonne bricht langsam durch."
Zeitgleich, vor der Connollystraße 31
Genscher, Merk und Tröger verhandeln wieder mit Issa.
16.40 Uhr, in der Nähe der Connollystraße
Die nähere Umgebung ist geräumt. Krankenwagen stehen im Basement bereit, die Fahrtstrecke zum Schwabinger Krankenhaus kann jederzeit gesperrt und geräumt werden. Die DDR-Beobachter registrieren, dass in Trainingsanzüge gekleidete Beamte mit Maschinenpistolen und schusssicheren Westen sich über das Dach des besetzten Hauses schleichen. Fernsehzuschauer weltweit sehen diese Bilder ebenfalls.
16.41 Uhr, Polizeieinsatzstab
Vizepräsident Wolf ordnet an, dass die Durchsage "Sonne bricht langsam durch" sofort gestoppt wird. Es darf nichts unternommen werden.
16.45 Uhr, an der Connollystraße 31
Die Beamten des Sturmtrupps bekommen die Weisung: "Aktion abgebrochen. Zurück in Ausgangspositionen."
16.47 Uhr, Polizeiführungsstab
Die Panzerwagen sollen sich bereithalten. Der Sturmtrupp darf noch nicht vom Haus Connollystraße abrücken.
16.50 Uhr, Connollystraße 24
Die DDR-Beobachter haben den Eindruck, dass die Verhandlungen scheitern. Genscher ist offenbar verärgert, er geht zurück, um Abstand zwischen Issa und sich zu bringen. Tröger und Merk diskutieren weiter. Issa fordert nun, mit einem Düsenjet Richtung östliches Mittelmeer fliegen zu dürfen. Sobald die israelische Regierung die freigepressten Gefangenen dorthin bringe, würden die Geiseln freigelassen.
16.58 Uhr, in der Connollystraße 31
Nacheinander erscheinen drei israelische Geiseln am Fenster im ersten Stock. Genscher fragt, ob sie bereit seien, mit den Terroristen in ein arabisches Land zu fliegen. Andre Spitzer, Trainer der israelischen Fechter, bestätigt das – gefesselt und während ihn ein Palästinenser mit der Kalaschnikow bedroht.
17 Uhr Israel
Die Antiterror-Einheit Sajeret Matkal wird in Alarmbereitschaft versetzt. Einen Befehl, den Flug nach München vorzubereiten, gibt es nicht.
17.01 Uhr, vor der Connollystraße 31
Genscher verlangt, sich mit eigenen Augen ein Eindruck von der Situation der Gefangenen machen zu können. Issa willigt ein, dem Innenminister und Tröger Zugang zu gewähren. Manfred Schreiber darf nicht mit hinein.
17.10 Uhr, vor der Connollystraße 31
Genscher und Tröger verlassen das Haus wieder. Sie haben neun gefesselte Geisel und einen Toten gesehen, aber nur vier Terroristen. Sie gehen davon aus, dass es sich insgesamt um fünf Täter handelt.
17.20 Uhr, Polizeieinsatzstab
Vizepräsident Wolf lässt durchsagen: "Aktion verzögert sich, wieder zurück in Ausgangssituation."
17.21 Uhr, Krisenstab
Der Sturm wird abgesagt. Ein Beamter notiert den Grund: "Terroristen verlangen, nach Ägypten ausgeflogen zu werden." Damit eröffnen sich neue Chancen für einen Zugriff, entweder auf dem Weg zum Flughafen oder dort.
17.22 Uhr, vor der Connollystraße 31
Issa bestätigt Anneliese Graes, dass er das Ultimatum bis 19 Uhr verlängert habe.
17.22 Uhr, Polizeipräsidium
Beim BGS werden Hubschrauber angefordert, um Mitglieder des Stabes nach Fürstenfeldbruck zu fliegen. Als Grund notiert der diensthabende Beamte: "Dort soll der polizeiliche Einsatz vorbereitet werden."
17.45 Uhr, Krisenstab
Manfred Schreiber erteilt Vizepräsident Wolf den Auftrag, die Befreiung der Geiseln in Fürstenfeldbruck vorzubereiten. Die Aktion soll ab 18.45 Uhr möglich sein.
17.47 Uhr, Polizeieinsatzstab
Georg Wolf ordnet an, dass Präzisionsschützen nach Fürstenfeldbruck verlegt werden.
18.05 Uhr, Flughafen Fürstenfeldbruck
Weil es auf dem Militärflugplatz der Bundeswehr keine Flutlichtanlage für das Vorfeld gibt, werden beim Technischen Hilfswerk drei Beleuchtungswagen angefordert.
18.30 Uhr, Feldafing
Willy Brandt versucht, Ägyptens Präsidenten Anwar al-Sadat zu erreichen. Doch der Staatschef lässt sich verleugnen.
18.36 Uhr, vor der Connollystraße 31
Genscher und Merk verhandeln wieder. Es geht um den Weg vom olympischen Dorf zum Flughafen und um das Flugzeug.
18.47 Uhr, München-Nord
Die Sonne geht unter, es beginnt zu dämmern.
19.30 Uhr, olympisches Dorf
Schreiber, Genscher und Merk fliegen zum Fliegerhorst und schauen sich an, was Vizepräsident Wolf plant.
20.20 Uhr, Polizeieinsatzstab
Ein leitender Polizeibeamter verhandelt mit dem Bundesverkehrsministerium. Die Lufthansa soll sofort ein Düsenflugzeug mit mindestens 3000 Kilometern Reichweite bereitstellen. Das Ministerium sagt zu, schränkt aber ein, dass die Maschine frühestens um 21 Uhr eintreffen könne.
20.40 Uhr, Pressezentrum
Nach längeren erfolglosen Versuchen bekommt Willy Brandt den Premierminister von Ägypten ans Telefon. Doch Aziz Sidky lehnt es kategorisch ab, ein Flugzeug mit Terroristen in Kairo landen zu lassen: "Wir haben nichts mit der Angelegenheit zu tun, wir möchten nicht in sie verwickelt werden."
20.53 Uhr, unter der Connollystraße 31
Zusammen mit Schreiber und Genscher geht Issa den Weg auf der Straßenebene zum Landeplatz der Hubschrauber. Es sind nur 400 Meter, die einem Parkhaus ähneln. Issa wird nervös, woraufhin Schreiber ruft, dass es sich um einen Probegang handelt. Der Terrorist bricht den Probegang wütend ab.
21.35 Uhr, Polizeieinsatzstab
Der Anführer der Terroristen fordert einen Bus. Zunächst wird ein kleiner Bus für maximal 20 Passagiere geschickt.
21.36 Uhr, Fürstenfeldbruck
Ein Boeing 727 der Lufthansa mit vier Mann Besatzung landet auf dem Militärflugplatz. Die Maschine hat einen Linienflug von London nach München-Riem absolviert. Im Anschluss sind die Piloten die rund 40 Kilometer nach Fürstenfeldbruck geflogen. In den Tanks sind noch gut acht Tonnen Kerosin.
21.52 Uhr, unter der Connollystraße 31
Die Terroristen sind mit ihren aneinandergefesselten Geiseln die Treppe zur Straßenebene heruntergekommen. Der angeforderte Bus fährt vor. Issa besteigt ihn, findet ihn zu klein und schickt den Fahrer weg. Er verlangt, dass in fünf Minuten ein größerer Bus kommen solle.
22.02 Uhr, unter der Connollystraße 31
Der größere Bus kommt; Issa ist zufrieden. Die Terroristen zwingen ihre Geiseln, in den Bus zu steigen. Zum ersten Mal können Beobachter der Münchner Polizei zählen, um wie viele Personen es sich tatsächlich handelt: acht Terroristen und neun Geiseln. Niemand denkt daran, diese Information nach Fürstenfeldbruck durchzugeben.
22.12 Uhr, Parkplatz am olympischen Dorf
Issa und Tony inspizieren die beiden Hubschrauber. Sie beschweren sich, dass jede Maschine zwei Mann Besatzung hat, sie haben verlangt, dass nur ein Pilot an Bord sein dürfe. Erst als die Besatzungen erklären, dass zum Fliegen des Helikopters zwei Mann erforderlich seien, willigt Issa ein.
22.20 Uhr, Fürstenfeldbruck
Ein zwölf Mann starkes Kommando aus erfahrenen Zivilpolizisten besteigt die Boeing 727. Vier von ihnen tragen Uniformjacken der Lufthansa, die übrigen Overalls von Mechanikern. Allerdings kennt sich keiner der Beamten mit Flugzeugen aus, sie können weder die Flugzeugtüren bedienen noch den Eindruck vermitteln, den Start vorzubereiten. Ihr Englisch ist nicht gut genug, damit sie als Piloten durchgehen können. Außerdem erfahren sie erst jetzt, dass die Tanks der Maschine zu einem Drittel gefüllt sind.
22.22 Uhr, Parkplatz am olympischen Dorf
Die beiden Hubschrauber mit den acht Terroristen und neun Geiseln starten. Bewusst langsam fliegen die Piloten in einem großen Bogen Richtung Fürstenfeldbruck. Sie geben so einem dritten Hubschrauber die Möglichkeit, die Mitglieder des Krisenstabes auf schnellstem Weg zum Flugplatz zu bringen.
22.30 Uhr, Fürstenfeldbruck
Das Polizeikommando in der Boeing 727 stimmt ab. Fast alle Beamten sind dafür, den Einsatz abzubrechen. Der Leiter gibt die Entscheidung per Funk an Georg Wolf durch, der die Einsatzleitung im Tower hat.
Zeitgleich
Der Hubschrauber mit dem Krisenstab, den Israelis Tzwi Zamir und Victor Cohen sowie Franz Josef Strauß landet auf dem Militärstützpunkt. Die Männer begeben sich sofort in den Tower.
22.33 Uhr, Fürstenfeldbruck
Die beiden Hubschrauber mit Geiseln und Terroristen landen. Anders als versprochen, lässt Issa die Besatzung nicht frei. Sie müssen sich bewacht vor den Cockpits ihrer Maschinen aufstellen, als menschliche Schutzschilde. Issa und Tony gehen hinüber zur bereitstehenden Boeing.
22.37 Uhr, Fürstenfeldbruck
Die beiden Terroristen stellen fest, dass die Lufthansa-Maschine leer ist, und erkennen, dass ihnen eine Falle gestellt wird. Nun besteht nur noch die Möglichkeit, möglichst schnell möglichst viele Terroristen gezielt auszuschalten. Der Polizeivizepräsident Georg Wolf geht davon aus, dass es sich um insgesamt fünf Terroristen handelt, außerdem um neun israelische und vier deutsche Geiseln.
22.38 Uhr, Tower von Fürstenfeldbruck
Georg Wolf erteilt den drei Scharfschützen auf dem Dach des Flughafengebäudes den Befehl "Feuer frei". Da die beiden anderen Scharfschützen auf der gegenüberliegenden Seite nicht in Funkkontakt stehen, sollen sie schießen, sobald ihre Kollegen feuern. Jedoch wechselt gerade in diesem Moment ein Schütze die Position, um ein besseres Schussfeld zu haben – die Hubschrauber sind weiter westlich als geplant gelandet. Die beiden anderen Schützen feuern und treffen. Tony bricht schwer verletzt zusammen, Issa kann sich in den Schutz des östlichen Helikopters retten. Fünf Terroristen beginnen, aus ihren Kalaschnikows Feuerstöße auf den Tower abzugeben.
22.40 Uhr, Vorfeld Fürstenfeldbruck
Issa und mindestens ein weiterer Terrorist werden von den Scharfschützen am Tower getötet. Die vier Besatzungsmitglieder der Hubschrauber liegen auf dem Boden und verhalten sich möglichst ruhig. Der Polizist Anton Fliegenbauer erleidet einen Kopfschuss. In den kommenden 80 Minuten kommt es mehrfach zu Schusswechseln. Insgesamt verfeuern die Palästinenser rund 200 Schuss, die beteiligten Polizisten 61 Schuss, davon die Scharfschützen 25 Kugeln. Acht Geschosse treffen Terroristen.
Zeitgleich, Krisenstab
Das Bayerische Innenministerium erfährt per Telefon von der Schießerei in Fürstenfeldbruck. Die Funkanlage im Tower des Flughafens ist durch einen Querschläger beschädigt worden.
22.46 Uhr, Fürstenfeldbruck
Angeblich sollen alle Täter tot oder verletzt unter den Hubschraubern liegen. Das Schicksal der Geiseln sei unbekannt. In Wirklichkeit sind nur drei Terroristen tot.
22.51 Uhr, Pressezentrum
Der Sprecher des Organisationskomitees, Hans Klein, gibt bekannt, dass in Fürstenfeldbruck geschossen wird.
22.52 Uhr, Polizeieinsatzstab
Alle Panzerwagen werden nach Fürstenfeldbruck in Marsch gesetzt.
22.53 Uhr, Vorfeld
Die Schießerei flammt wieder auf.
22.57 Uhr, Tower Fürstenfeldbruck
Per Megafon werden die Terroristen in englischer und arabischer Sprache aufgefordert, sich zu ergeben.
23 Uhr, außerhalb des Flugplatzes
Da nicht mehr geschossen wird, kommt unter den Schaulustigen vor dem Zaun des Flughafens das Gerücht auf, die Aktion sei beendet. Die Fehlinformation verbreitet sich rasch bis in den Olympia-Park.
23.23 Uhr, Tower Fürstenfeldbruck
Bei den Hubschraubern wird wieder geschossen. Die Polizisten nehmen mehrere Feuerstöße aus Kalaschnikows wahr.
23.30 Uhr, Pressezentrum
IOC-Präsident Avery Brundage gratuliert Regierungssprecher Conrad Ahlers zur Befreiung der Geiseln. Entsprechend äußert sich Ahlers gegenüber Journalisten, die darin eine offizielle Bestätigung sehen.
23.31 Uhr, weltweit
Mehrere Nachrichtenagenturen berichten in Eilmeldungen, alle Geiseln seien befreit worden. Zahlreiche Zeitungen, die unmittelbar vor Redaktionsschluss stehen, heben das Gerücht als Tatsache auf ihre Titelseiten.
23.45 Uhr, außerhalb des Flugplatzes
Die Panzerwagen melden, dass sie auf der Bundesstraße 471 feststecken. Ein Verkehrsstau, verursacht durch viele Presseleute, Taxis und Neugierige, macht die Anfahrt über die Straße teilweise unmöglich. Die Fahrer weichen auf Felder aus, kommen aber nur langsam voran.
23.50 Uhr, Tower Fürstenfeldbruck
Manfred Schreiber weist darauf hin, dass der Einsatz noch in vollem Gange sei.
23.52 Uhr, Pressezentrum
Hans Klein warnt die mehreren Hundert anwesenden Journalisten, Berichte über einen Erfolg in Fürstenfeldbruck zu glauben.
23.55 Uhr, Stützpunkt Fürstenfeldbruck
Die Panzerwagen treffen ein. Sie bekommen den Auftrag, Verletzte zu bergen und Terroristen, die Widerstand leisten, auszuschalten. Die Fahrzeuge werden beschossen, eine Handgranate explodiert.
0 Uhr, Pressezentrum
In mehreren TV-Interviews "bestätigt" Ahlers den Erfolg der Befreiungsaktion. Er hat von der Warnung des Krisenstabes nichts mitbekommen.
0.06 Uhr, Vorfeld
Der erste Panzerwagen fährt auf das Flugfeld, um die Hubschrauberpiloten zu bergen. Das Fahrzeug wird beschossen, der rechte Hinterreifen platzt, der Motor qualmt. An Bord ist Polizeivizepräsident Wolf.
0.20 Uhr, Vorfeld
Wieder schießen mindestens zwei Terroristen. Dann wirft ein Palästinenser eine Handgranate in einen der beiden Hubschrauber, der explodiert.
0.21 Uhr, Flughafenfeuerwehr Fürstenfeldbruck
Rund ein Dutzend Feuerwehrleute springen auf ihre Fahrzeuge. Sie wollen versuchen, den brennenden Hubschrauber zu löschen, doch sie werden beschossen.
0.25 Uhr, Vorfeld Fürstenfeldbruck
Ein Scharfschütze hat einen Terroristen getroffen, der zu flüchten versuchte. Ein weiterer Terrorist zieht eine Handgranate ab, wird aber im selben Moment getroffen. Die Granate detoniert in den Händen. Die Schießerei ist zu Ende.
0.30 Uhr, Vorfeld Fürstenfeldbruck
Vorsichtig nähern sich Polizisten den beiden Hubschraubern. Drei Terroristen werden festgenommen.
0.58 Uhr, Feldafing
Bundeskanzler Brandt will Israels Premierministerin informieren und verlangt dafür vom Krisenstab einen aktuellen Lagebericht. Dazu ist der Krisenstab nicht in der Lage.
1.45 Uhr, Polizeipräsidium
Der Stützpunkt in Fürstenfeldbruck fordert Leichenwagen für 12 bis 14 Tote an. Ein Polizist und fünf Terroristen sind gestorben. Alle Geiseln sind tot. Acht starben durch Kugeln aus den Gewehren der Terroristen, eine Geisel starb beim Brand des explodierten Hubschraubers.
2 Uhr, Krisenstab
Nach Rücksprache mit den Verantwortlichen in Fürstenfeldbruck bestätigt der Krisenstab, dass sämtliche Geiseln tot sind und drei der acht Terroristen festgenommen werden konnten.
2.30 Uhr, Pressezentrum
Der Sprecher des Organisationskomitees, Hans Klein, informiert die Weltpresse über den katastrophalen Ausgang des Geiseldramas.
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