Minutenprotokoll: So verlief die alliierte Invasion in der Normandie
Fast zwei Jahre hat es gedauert. Mitte August 1942 war ein Testangriff kanadischer und britischer Einheiten auf die französische Hafenstadt Dieppe unter großen Verlusten gescheitert. Seither ist klar, dass eine Invasion des besetzten Frankreichs nur mit ungeheurem Aufwand an Truppen und Material gelingen kann. Um jeden Preis muss innerhalb der ersten Stunden der Durchbruch von den Stränden der Normandie ins Hinterland gelingen. Am 6. Juni 1944 ist es so weit: "Unternehmen Overlord" läuft an – die größte Landeoperation der Geschichte.
Auf mehreren Fliegerhorsten in Südengland drücken die US-Luftlandetruppen ihre Zigaretten aus und besteigen ihre Transportflugzeuge oder Lastensegler. "Das ganze Flugfeld erzittert vom Dröhnen der Motoren", erinnert sich David K. Webster vom 506. Airborne Regiment, dann heben rund 1200 Transportmaschinen ab und fliegen Richtung Süden.
Nördlich der Kleinstadt Caen am östlichen Rand des Invasionsgebietes springen britische Fallschirmjäger ab. Sie sind die ersten alliierten Soldaten, die am 6. Juni 1944 auf französischem Boden landen. Ihre Aufgabe: die strategisch wichtige Orne-Brücke erobern und halten.
Direkt neben der Brücke über den Caen-Kanal landen drei "Horsa"-Lastensegler der 6. britischen Luftlandedivision. Binnen zehn Minuten besetzen die gut 80 Mann unter Major John Howard die Brücke unversehrt. Dabei fallen die ersten Schüsse der Invasion. Ein Dutzend deutsche Soldaten und zwei Briten werden getötet.
Die ersten US-Fallschirmspringer von der 101. Airborne Division landen in der Normandie, am westlichen Rand des Invasionsgebietes. Ihre Aufgabe ist es, die vier einzigen Zugänge zum Landestrand Utah Beach zu sichern, die durch überflutetes Gebiet führen. Doch die Landung misslingt, die Truppen werden über Dutzende Quadratkilometer verstreut.
Die zweite Welle der britischen Fallschirmjäger springt ab. Das wichtigste Ziel ist eine deutsche Batterie bei Merville in Strandnähe. Die Landung misslingt: Jeder dritte Soldat stürzt in die Sümpfe des kleinen Flusses Dives, viele anderen werden abgetrieben und landen teilweise bis zu zehn Kilometer landeinwärts.
Im Hauptquartier des LXXXIV. Armeekorps in Saint-Lô schrillt das Feldtelefon. Der Kommandierende General Erich Marcks erfährt erstmals von größeren alliierten Luftlandeoperationen. Er weiß sofort, dass die Invasion begonnen hat.
Der Oberbefehlshaber der Invasion, General Dwight D. Eisenhower, kehrt von den Fliegerhorsten der Fallschirmjäger zurück in sein Hauptquartier, dem Southwick House nördlich von Portsmouth. Er zieht sich in seinen gepanzerten Wohnwagen zurück und wartet auf erste Nachrichten aus der Normandie.
General Marcks versetzt die ihm unterstellte 352. Infanteriedivision, die den Küstenabschnitt zwischen Carentan und Bayeux besetzt hält, in Alarmbereitschaft.
Lieutenant Commander Terence Otway sammelt die Männer seines 9. Britischen Fallschirmjägerbataillons. Nur 60 der 650 Männer schaffen es wie geplant zum Sammelpunkt. Otway beschließt, eine Stunde zu warten, bevor er Richtung Merville abmarschieren lässt.
Mühsam sammeln sich die verstreuten Soldaten der 101. US-Division. Bisher hat es noch kaum Feindberührung gegeben.
Die 82. US-Luftlandedivision beginnt ihren Angriff. Sie soll wichtige Brücke auf dem Weg nach Cherbourg erobern und halten. Die Landung misslingt, nur ein Viertel der Männer kommt im Umkreis von einer Meile um das Zielgebiet zu Boden.
Im "Berghof", der Alpenresidenz Adolf Hitlers oberhalb von Berchtesgaden, gehen der "Führer und Reichskanzler", seine Lebensgefährtin Eva Braun und Propagandaminister Joseph Goebbels zu Bett. Sie haben bis dahin am Kamin Erinnerungen ausgetauscht.
Generalmajor Max Pemsel, Chef des Stabes der 7. Armee in der Normandie, weckt seinen Vorgesetzten Friedrich Dollmann: "Herr Generaloberst, ich glaube, wir haben die Invasion. Würden Sie bitte herüberkommen?"
Pemsel telefoniert mit Generalleutnant Hans Speidel, dem Chef des Stabes von Generalfeldmarschall Erwin Rommel, dem Befehlshaber des Atlantikwalls. Speidel ist skeptisch, ob die Ansprünge von Fallschirmjägern tatsächlich den Beginn der Invasion darstellt, informiert aber dennoch den Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt.
Terence Otway hat etwa 120 seiner 650 Männer um sich versammelt. Er entscheidet, noch eine Viertelstunde zu warten. In dieser Zeit kommen noch 35 Nachzügler. Seine Truppe ist nun ein Viertel so stark wie vorgesehen.
General Günther Blumentritt, der Stabschef von Rundstedts, teilt General Major Max Pemsel mit: "Nach Ansicht OB West handelt es sich nicht um Großaktion." Dennoch soll die 7. Armee alle ihre Einheiten in höchste Kampfbereitschaft versetzen.
In Southwick House verfasst Dwight D. Eisenhower einen kurzen handschriftlichen Brief, in dem er für den Fall des Scheiterns der Invasion die volle Verantwortung übernimmt. Das Schreiben kommt in seine Akten.
Gerd von Rundstedt weist seinen Nachrichtenoffizier an, in Hitlers Alpenresidenz "Berghof" auf dem Obersalzberg anzurufen und die Nachricht von den Ereignissen in der Normandie durchzugeben.
Mit nur 155 Männer und lediglich wenigen schweren Waffen macht sich Terence Otway auf den Weg zur Batterie Merville.
Der spanische Doppelagent Joan Pujol García alias "Garbo" setzt aus London einen Funkspruch an seinen deutschen Verbindungsmann in Madrid ab. Die Nachricht besagt, dass Soldaten der kanadischen 3. Infanteriedivision sich einschifften, um nach Frankreich überzusetzen. Diese Information ist wertlos, denn bevor sie im Dritten Reich eintrifft, werden die Kämpfe in der Normandie längst in voller Härte entbrannt sein. Doch der vermeintliche frühe Zeitpunkt der Meldung wird das Ansehen "Garbos" bei seinen deutschen Auftraggebern stärken.
Die Männer der 21. deutschen Panzerdivision südöstlich von Caen lassen die Motoren ihrer Fahrzeuge warmlaufen. Sie verfügen über rund 120 Panzer IV und etwa 100 Sturmgeschütze, aber nicht über die schweren "Tiger". Ihr Kommandeur, Generalmajor Edgar Feuchtinger, ist mit seiner Geliebten auf dem Rückweg aus Paris.
Die Vorhut von Terence Otways Trupp erreicht die Batterie Merville und räumt mehrere Schneisen durch die vorgelagerten Minenfelder.
Die deutsche Seekriegsleitung erfährt, dass laut Radardaten eine große Flotte Richtung Normandie auf dem Weg ist. Allerdings gibt es auch entsprechende Reflexionen aus der Straße von Calais, wo die meisten deutschen Militärs die Invasion erwarten.
An Bord des Truppentransporters USS "Samuel Chase" prüft der Kriegsfotograf Robert Capa zum letzten Mal seine Kameras und die Diafilme, mit denen er die Invasion festhalten will. Dann besteigt er zusammen mit Männern der 1. US-Infanteriedivision ein Landungsboot.
Das knappe Viertel von Terence Otways 9. Fallschirmjägerbataillon erreicht sein Ziel, die Batterie Merville.
In Paris ist Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt inzwischen überzeugt, dass die alliierte Landung tatsächlich in Kürze in der Normandie beginnen wird.
Rund 155 britische Fallschirmjäger beginnen den Sturm auf die Batterie Merville. Ein blutiger Nahkampf beginnt.
Rundstedts Stabschef General Blumentritt schickt die Bitte an das Oberkommando der Wehrmacht nach Berchtesgaden, die Einsatzreserven des OB West zur Normandie in Marsch zu setzen. Es handelt sich um zwei Elitepanzerdivisionen.
Nach geringem Widerstand nimmt das 505. US-Fallschirmjägerregiment das Dorf Sainte-Mère-Église ein. Am Kirchturm hängen die Soldaten John Steele und Ken Russell, deren Fallschirme sich verfangen haben.
Kein Offizier im Oberkommando der Wehrmacht traut sich, einen hohen General zu wecken und ihn über Rundstedts Ersuchen zu informieren.
Niedrigwasser in der Normandie. Der Plan ist, mit auflaufendem Wasser, aber deutlich vor Hochwasser an Land zu gehen – so werden die meisten Vorstrandhindernisse, oft verminte Holzkonstruktionen, klar erkennbar sein. Erwin Rommel ist bei der Planung des Atlantikwalls fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Alliierten bei Hochwasser im Morgengrauen angreifen würden, um den Weg auf dem Stand so kurz wie möglich zu halten.
Die Batterie von Merville ist erobert. Mehr als 175 Tote und Verwundete liegen rund um die Betonbunker mit den Geschützen, die jetzt von britischen Fallschirmjägern gesprengt werden. Von den 155 Mann, die angegriffen haben, sind nur noch 80 kampffähig.
Alle Landungsboote der ersten US-Welle sind bemannt und tuckern durch unruhige See auf die beiden Landezonen Utah Beach und Omaha Beach zu. Die Wellen sind teilweise bis zu zwei Meter hoch; viele Männer leiden unter Seekrankheit.
Terence Otway feuert eine Leuchtrakete ab, um dem bereitliegenden Kreuzer HMS "Arethusa" zu signalisieren, dass die Batterie Merville ausgeschaltet ist. Das moderne Schiff hat den Auftrag, bei Ausbleiben dieses Signals ab 05.30 Uhr mit allen sechs 15,2-cm-Geschützen das Feuer auf die deutsche Stellung zu eröffnen. Nach dem Signal ist klar, dass die HMS "Arethusa" andere Ziele in der Landezone Sword Beach angreifen kann.
In der Normandie beginnt die Morgendämmerung. Es ist ein wolkenverhangener, regnerischer Tag.
Mit dem ersten Licht donnern 269 Mittelstreckenbomber der 9. US-Luftflotte über Utah Beach hinweg und werfen insgesamt 4404 Stück 114-kg-Bomben ab.
Auf die Minute pünktlich beginnen 28 britische, kanadische und amerikanische Kreuzer und Schlachtschiffe ein Trommelfeuer auf die deutschen Stellungen in den fünf Landezonen. Außerdem stoßen 56 Zerstörer bis nahe an die Küste vor, melden die Trefferlage und bekämpfen kleinere Ziele direkt mit ihrer leichten Artillerie.
Drei deutsche Torpedoboote attackieren die beiden Schlachtschiffe HMS "Warspite" und HMS "Ramilles", die ausweichen und das Feuer auf die Küstenstellungen abbrechen müssen.
Fast drei Seemeilen vor der Küste von Omaha Beach setzen die Panzerlandungsschiffe 29 der 32 Schwimmpanzer ab, die den Angriff der Infanterie unterstützen sollen. Doch das Meer ist viel zu rau für die plumpen Gefährte mit ihrem Segeltuchschwimmkörper. 27 der M4 "Sherman" gehen mitsamt ihren Besatzungen unter, nur zwei schaffen es an den Strand. Bei einem Landungsschiff klemmt das Bugtor; es bringt seine drei Panzer später an Land, indem der Kommandant es auf Grund setzt.
Die schweren Bomber, die aus sicherer Höhe die deutschen Stellungen am Omaha Beach zerstören sollen, können durch die tiefliegende Wolkendecke ihr Ziel nicht ausmachen. Sie wollen aber ihre Bomben nicht blind abwerfen, um nicht die eigenen Landungstruppen oder die französische Zivilbevölkerung zu gefährden. Die meisten fliegen voll beladen zurück.
Pünktlich stellen die Kriegsschiffe vor den beiden Landungszonen Utah Beach und Omaha Beach das Feuer auf die deutschen Strandstellungen ein; die schweren Geschütze beschießen jetzt militärische Ziele im Landesinneren.
In Berchtesgaden ist Generaloberst Alfred Jodl aufgewacht und erfährt, dass Generalfeldmarschall von Rundstedt ohne Genehmigung durch das OKW die beiden Reserve-Panzerdivisionen in Marsch Richtung Normandie gesetzt hat. Er widerruft den Befehl umgehend; die beiden Divisionen stoppen.
In Herrlingen bei Ulm erfährt Generalfeldmarschall Erwin Rommel von seinem Stabschef Hans Speidel von den Landungen von Fallschirmspringern in der Normandie. Berichte über das Bombardement der Küstenstellungen und die fast zeitgleiche Landung am Omaha Beach und am Utah Beach sind noch nicht bis zum Hauptquartier Rommels im Château La Roche-Guyon durchgedrungen.
Mit der ersten Welle der US-Infanterie stürmt Robert Capa durch hüfttiefes Wasser Richtung Strand in der zehn Kilometer breiten Landezone Omaha Beach. Mörderisches MG-Feuer erwartet die Männer. "Mein geliebtes Frankreich sieht alles andere als einladend aus", erinnert sich der Fotograf an seinen ersten Gedanken. Ihnen gegenüber stehen knapp 500 deutsche Soldaten in anderthalb Dutzend schwer befestigten Widerstandsnestern, außerdem noch einmal so viele Männer in rückwärtigen Stellungen.
Am fünf Kilometer breiten Utah Beach betreten die ersten US-Soldaten französischen Boden. Es gibt nur wenig Gegenwehr, das Bombardement der deutschen Stellungen war effektiv. 28 der 32 Schwimmpanzer haben es an den Strand geschafft und unterstützen die GIs beim Vormarsch zu den vier Strandausgängen. Utah Beach wird von nur rund 100 deutschen Soldaten verteidigt.
Am Omaha Beach nähert sich die Landung einer Katastrophe: Deutsche MG-Nester schießen sich auf die GIs ein. Von der A-Kompanie des 116. Infanterieregiments, das den westlichen Teil des Strandes besetzen soll, werden in den ersten zehn Minuten des Angriffs 96 Prozent getötet oder verletzt. Am schlimmsten trifft es eine Gruppe von 35 Männern aus der Kleinstadt Bedford (US-Bundesstaat Virginia). Von ihnen fallen 20, zwölf werden schwer und drei leicht verletzt.
Robert Capa schießt ein Foto nach dem anderen, obwohl er wie die anderen Männer des 16. Infanterieregiments hinter einem Holzhindernis kauert und hofft, dass die daran befestigte Mine nicht zündet.
Am Omaha Beach landen die Pioniere der 1. und der 29. US-Infanteriedivision sowie Spezialeinheiten. Sie sollen die deutschen Stellungen mit besonderen Minen sprengen. Doch ihr schweres Gerät schafft es durch das mörderische Abwehrfeuer nicht an Land.
Der Kommandeur der deutschen 21. Panzerdivision, Edgar Feuchtinger, kommt nach einer nächtlichen Fahrt aus Paris mit seiner Geliebten in seinem Gefechtsstand an.
Als Granatwerferfeuer am Omaha Beach einsetzt und Splitterkaskaden um die GIs herumfliegen, beginnt Robert Capa so stark zu zittern, dass er keinen neuen Film mehr in seine Kamera einlegen kann.
Am Pointe du Huc am westlichen Rand vom Omaha Beach gehen 225 US-Ranger an Land, um eine auf einer Klippe gelegene Batterie zu erobern. Sie haben 40 Minuten Verspätung.
Vor den drei Landezonen der britisch-kanadischen Truppen, Gold Beach, Juno Beach und Sword Beach, beenden die Kreuzer und Schlachtschiffe ihr Trommelfeuer. Die Landungsboote stampfen die letzten wenigen Hundert Meter, bis das Wasser nur noch hüfthoch ist. Insgesamt sind an den drei Strandabschnitten auf etwa 35 Kilometer Länge etwa 840 deutsche Soldaten im Einsatz.
In Sainte-Mère-Église beginnt der erste deutsche Gegenangriff des Tages. Über mehrere Stunden wird in dem Dorf hart gekämpft.
Am Omaha Beach wird weiter mörderisch gerungen. Die US-Truppen sind am Strand steckengeblieben und liegen unter Dauerfeuer mehrerer Widerstandsnester. Hunderte Männer sterben. Die Kriegsschiffe können nicht eingreifen, weil ihre Geschütze nicht exakt genug schießen können, um nur die deutschen Stellungen zu treffen statt die eigenen Truppen.
Die Rangers erklettern die Klippe am Pointe du Hoc. Sie finden die Stellung weitgehend verlassen vor; die schweren Geschütze sind bereits abtransportiert.
Die 7. Armee geht davon aus, dass die Invasionsstreitkräfte an den Landestränden aufgehalten werden. Doch Generaloberst Friedrich Dollmann weiß lediglich vom Omaha Beach, nicht aber von den vier anderen Stränden.
Von den Stränden kommen nur bruchstückhafte Informationen ins Hauptquartier von Eisenhower in Southwick House. Der Oberbefehlshaber erfährt von verzweifelten Kämpfen am Omaha Beach, hört aber zugleich bruchstückhaft über Erfolge an den anderen Stränden. Ein Bild kann er sich kaum machen.
Robert Capa liegt seit zwei Stunden am Omaha Beach. Mit größter Mühe hat er drei Filme belichtet. Jetzt packt ihn die Panik. Der Kriegsreporter flüchtet sich zurück auf ein Landungsboot, das allerdings unter Granatwerferfeuer liegt. Vor seinen Augen wird der Maat des Bootes von Splittern zerfetzt. Capa fährt mit dem Boot zurück zum nächsten Truppentransporter.
Zum ersten Mal erfährt die deutsche 7. Armee, dass auch östlich von Bayeux alliierte Truppen landen. Hier haben die britischen, kanadischen und französischen Truppen inzwischen weitgehend den Widerstand deutscher Einheiten niedergekämpft.
Am Sword Beach gehen die ersten Elitesoldaten der britischen 1. Kommandobrigade an Land. Brigadegeneral Lord Lovat hat den Befehl, mit seinen Männern die Fallschirmjäger an den Brücken über den Caen-Kanal und die Orne zu verstärken. Sie müssen dazu zehn Kilometer durch feindlich besetztes Land vorstoßen, ohne sich in größere Gefechte verstricken zu lassen.
Auf der "USS Augusta", dem Flaggschiff der Invasionsflotte, denkt Eisenhowers Vertrauter General Omar Bradley darüber nach, die Landungszone Omaha Beach aufzugeben. Offensichtlich ist kein Durchkommen, die Verluste der inzwischen angelandeten vier Wellen sind enorm. Er funkt nach Southwick House, um sich die Genehmigung zu holen.
US-General Eisenhower bekommt einen formelhaften Bericht, demzufolge alles plangemäß laufe. Der Oberbefehlshaber kann das nicht recht glauben. Tatsächlich handelt es sich um eine aus Verlegenheit über mangelnde verlässliche Informationen abgeschickte Meldung.
Am Sword Beach springt der Reuters-Reporter Archibald "Doon" Campbell aus einem Landungsboot an den Strand und hetzt zu den Soldaten der 1. Kommandobrigade, die er begleiten will.
Im provisorischen Stab des Oberkommandos der Wehrmacht in Berchtesgaden verdichten sich die Informationen aus der Normandie immer mehr: Es findet tatsächlich eine groß angelegte Landung statt. Bekannt sind zwei große Landezonen westlich und östlich von Bayeux. Informationen über die Landung am Utah Beach sind noch nicht bei den höheren deutschen Stäben angekommen.
An Utah Beach sind drei der vier Strandausgänge gesichert. Nachrückende Truppen der 4. US-Infanteriedivision erkunden vorsichtig das Gelände hinter den Dünen.
Auf der östlichen Seite von Omaha Beach gelingt US-Soldaten nach mörderischen drei Stunden am Strand der erste Einbruch in die deutschen Linien. Am mittleren Abschnitt hält weiter das Widerstandsnest 62 die US-Truppen unter Dauerfeuer.
Generalmajor Clarence R. Huebner, Kommandeur der 1. US-Infanteriedivision, empfängt einen verzweifelten Funkspruch vom Omaha Beach: "Zu viele Fahrzeuge auf dem Strand. Kampftruppen schicken. 30 Panzerlandungsboote warten unter der Küste; können wegen Feindfeuer nicht anfahren. Truppen auf Stränden eingegraben, noch immer unter schwerem Feindfeuer." Huebner unterbricht den Materialstrom zum Strand, lässt stattdessen ein Infanterieregiment vorrücken – und fordert schwere Schiffsartillerie an.
An Bord des Schlachtschiffs "USS Texas" befiehlt Konteradmiral Carleton F. Bryant seinen Kanonieren: "Immer drauf, Männer! Immer drauf! Auf dem Strand ist die Hölle los! Das geht nicht so weiter! Damit muss endlich Schluss sein!" Sofort setzt ein schweres Feuer auf die deutschen Stellungen ein, die eine nach der anderen zerstört werden; ihre Besatzungen flüchten zumeist ins Hinterland.
Omar Bradley erhält einen ersten konkreten Bericht vom Omaha Beach. Er ist extrem kurz: "Strandsperren, vermint, Fortschritt langsam." Bradley befiehlt, die Meldung an Eisenhower weiterzuleiten.
Am östlichsten Landstrand Sword Beach ist die Verteidigungsstellung La Brèche ausgeschaltet. Die Kommandotruppen unter Lord Lovat machen sich mit ihren Klappfahrrädern auf den etwa zehn Kilometer langen Weg zu den eroberten Brücken über den Caen-Kanal und die Orne.
Hans Speidel telefoniert erneut mit seinem Vorgesetzten Erwin Rommel in Herrlingen bei Ulm und informiert ihn über den Stand. Inzwischen ist beiden Generälen klar, dass es sich um die große Invasion handelt. Rommel segnet den eigenmächtigen Befehl von General Marcks ab, die Panzer der 21. Panzerdivision zwischen Caen und der Küste aufmarschieren zu lassen, um den vorstoßenden Feind abzufangen.
An Sword Beach gehen die ersten Männer der King's Shropshire Light Infantery an Land. Es handelt sich um die ersten britischen Truppen, deren Auftrag das Ausgreifen in Richtung Caen ist. Ihr Ziel ist, bis zur Dämmerung 20 Kilometer weit ins Landesinnere vorzustoßen.
Rommel beendet das Telefonat mit seinem Stabschef Speidel und lässt im Führerhauptquartier ausrichten, dass er umgehend an die Front fahren werde und das geplante Treffen mit Hitler absagen müsse.
Die Panzer der 21. Panzerdivision der Wehrmacht, die kurzfristig auf das östliche Ufer des Flusses Oise befohlen worden waren, um dort britische Fallschirmjäger zu bekämpfen, bekommen die Weisung umzukehren und zwischen Küste und Caen vorstoßende britische Truppen aufzuhalten.
In Eisenhowers Hauptquartier in Southwick House treffen erste detaillierte Berichte aus der Normandie ein. An vier von fünf Landestränden ist die deutsche Küstenverteidigung überwunden, nur am Omaha Beach bleibt die Lage bei hohen amerikanischen Verlusten kritisch.
In Herrlingen fährt Erwin Rommel mit seinem Dienstwagen ab in Richtung Nordfrankreich. Vor ihm liegen fast 800 Kilometer Weg. Wegen der totalen alliierten Luftüberlegenheit wagt er es trotz des schlechten Wetters nicht, ein Flugzeug zu benutzen.
Im "Berghof", seiner Alpenresidenz oberhalb von Berchtesgaden, wacht Adolf Hitler auf. Er erfährt von seinen Adjutanten unmittelbar, dass in der Normandie etwas vor sich geht. Allerdings hält er es nicht für nötig, an seinem Tagesprogramm etwas zu ändern: Für den frühen Nachmittag ist ein Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Döme Szótaj auf Schloss Kleßheim bei Salzburg vorgesehen.
Die ersten britischen Soldaten der King's Shropshire Light Infantery erreichen das Dorf Hermanville, knapp zwei Kilometer landeinwärts vom Sword Beach. Sie sind eine Viertelstunde hinter dem Zeitplan zurück.
In London macht sich Premierminister Winston Churchill auf den Weg ins Unterhaus, um dort die Invasion mit einer im Radio übertragenen Rede zu bestätigen. Inzwischen sind sich die alliierten Planer sicher, dass die Landung insgesamt gut gelungen ist. Nur das schlechte Wetter und der heftige Widerstand auf Omaha Beach machen ihnen Sorgen.
Bei Pouppeville südwestlich vom Utah Beach stoßen die ersten gelandeten US-Truppen auf US-Fallschirmjäger.
Über der Normandie sinkt die Wolkendecke auf 100 Meter; es regnet leicht. Schon seit dem Morgen ist es kaum zu Jagdbomberangriffen gekommen, weil die niedrigen Wolken jede Orientierung für Tiefflieger unmöglich machen.
Am Oamaha Beach haben die Soldaten der 1. US-Infanteriedivision vier Brückenköpfe auf den Dünen erkämpft. Alle vier eigentlich vorgesehenen Wege ins Landesinnere aber liegen weiterhin unter schwerem deutschen Feuer.
Auf dem Pointe du Huc wehren die US-Rangers einen deutschen Gegenangriff mit mehr als 200 Soldaten ab.
Auf dem östlichen Teil von Omaha Beach gibt George A. Taylor, der Kommandeur des US-Infanterieregiments 16 eine klare Weisung für den Angriff: "Nur zweierlei Leute bleiben auf dem Strand: die Toten und die Sterbenden. Alle anderen: nichts wie weg von hier!"
Hinter zwei weiteren von vier Strandausgängen von Utah Beach treffen US-Fallschirmjäger und am Strand gelandete Truppen aufeinander. Mehrere Dörfer sind in der Hand der Amerikaner.
Nach seiner Ankunft in Schloss Kleßheim hält Hitler eine kurze Lagebesprechung ab. Goebbels notiert darüber: "Der Führer ist außerordentlich aufgekratzt. Die Invasion findet genau an der Stelle statt, wo wir sie erwartet hatten, und auch genau mit den Mitteln und Methoden, auf die wir uns vorbereitet haben. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht damit fertig würden."
Die Soldaten der britischen 1. Kommandobrigade erreichen die Brücken über den Caen-Kanal und die Oise. Dort sind die in der Nacht abgesprungenen Fallschirmjäger in heftige Kämpfen mit deutschen Truppen verstrickt. Lässig bittet Brigadegeneral Lord Lovat den Befehlshaber vor Ort, Major John Howard, um Entschuldigung für die zweiminütige Verspätung.
General Erich Marcks erhält vom Stab der 352. Infanteriedivision die unzutreffende Meldung, die alliierten Truppen seien ins Meer zurückgetrieben worden. Er gibt die Information an Rommels Hauptquartier in La Roche-Guyon weiter, wo sie für Erleichterung sorgt.
Südlich vom Omaha Beach stoßen US-Einheiten bis zu einem Kilometer ins Hinterland vor, müssen dann aber halten.
In Schloss Kleßheim bemerkt Hitler, jetzt seien die Briten und Amerikaner endlich dort, "wo ich sei schlagen kann".
Die Männer der King's Shropshire Light Infantery greifen das auf einer Anhöhe gelegene Dorf Périers-sur-le-Dan an. Sie liegen zwei Stunden hinter dem Zeitplan, weil die für den Angriff vorgesehenen und notwendigen Panzer im Stau stehen. Als die Infanteristen aus ihren Deckungen vormarschieren, geraten sie in schweres Abwehrfeuer.
Im Widerstandsnest 62 oberhalb von Omaha Beach wird der MG-Schütze Franz Gockel von einem Querschläger an der Hand verletzt. Er zieht sich ins Hinterland zurück und lässt sich in einem Lazarett versorgen.
Die 12. SS-Panzerdivision "Hitlerjugend" bekommt den Befehl, in Richtung Caen vorzustoßen. Doch aufklarendes Wetter ermöglicht amerikanischen und britischen Tieffliegern jetzt Angriffe auf die schweren Panzer der Division.
Am Omaha Beach haben US-Soldaten fast alle deutschen Widerstandsnester erobert. Nur der Posten 62 kämpft noch weiter. Mehr als 10.000 Schuss MG-Munition haben Hein Severloh, Franz Gockel und einige andere Soldaten seit dem Morgengrauen verschossen und damit mehrere hundert US-Soldaten getötet.
Die Panzer-Lehr-Division, ein neu aufgestellter Eliteverband mit 170 modernen Kampfwagen, bekommt den Befehl, den 150 Kilometer langen Marsch in die Normandie vorzubereiten.
Der Reuters-Reporter Doon Campbell, der den Kontakt zu den rasch vorstoßenden Soldaten der 1. Kommandobrigade schon lange verloren hat, hält einen vorwärts rollenden Panzer an und lässt sich in Richtung Front mitnehmen.
Mit Hein Severloh räumen die letzten deutschen Soldaten das Widerstandsnest 62 oberhalb von Omaha Beach.
Inzwischen sind alle fünf Strände gesichert; Material und weitere Truppen werden aus Landungsschiffen an die Küste der Normandie gebracht. Auf einer Breite von insgesamt etwa 50 Kilometern sind alliierte Truppen zwischen einem und fünf Kilometern ins Landesinnere vorgestoßen. Etwa 150.000 Mann sind seit Mitternacht in der Normandie im Einsatz. Die Tagesziele aber sind nicht erreicht worden.
Rund 200 Männer der King's Shropshire Light Infantery stoßen bei Lebisey, einem Vorort der Kleinstadt Caen, auf deutsche Panzer und werden weitgehend aufgerieben. Die alliierte Invasion ist gelungen, aber jetzt beginnt die Schlacht um die Normandie.
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