Kopf der Woche: Carsten Rodbertus: Der Gefallene
Als der Insolvenzverwalter und der Prokon-Chef im Januar in einer Montagehalle vor die Presse traten, wirkte es fast, als hätte Carsten Rodbertus einen neuen Buchhalter mitgebracht. Ein paar einführende Worte des Hamburger Rechtsanwalts Dietmar Penzlin, dann referierte Rodbertus über die Krise bei dem Windenergieproduzenten, die zum Insolvenzantrag geführt hatte. Als Rodbertus fertig war, applaudierten die Mitarbeiter. Denn die Botschaft lautete: Der Chef bleibt an Bord, auch während Penzlin prüft, ob Prokon wirklich pleite ist.
Am Dienstag wurde nun bekannt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter Penzlin den Unternehmensgründer vom Hof gejagt hat. Seinen Vertriebschef Rüdiger Gronau konnte Rodbertus gleich mitnehmen. "Beide haben das Betriebsgelände dauerhaft verlassen", teilte Penzlin in einer E-Mail an die Belegschaft mit. Der Schritt sei nötig, um Ruhe für die Sanierung ins Unternehmen zu bringen.
Penzlins Prüfung dauert bis Ende April, dann entscheidet das Amtsgericht in Itzehoe über die Zukunft von Prokon. Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, den Geschäftsführer ausgerechnet jetzt vor die Tür zu setzen, in dieser entscheidenden Phase der Investorensuche.
Überspannt hat der umtriebige Rodbertus den Bogen wohl mit dem Versuch, eine Genossenschaft zu gründen. Man wolle angesichts der verfahrenden Situation ganz von vorn anfangen, stand auf der Genossenschafts-Webseite, die zwischenzeitlich im Netz auftauchte. Mit den "Freunden von Prokon", seinen bis dahin treuesten Anhängern, verhandelte er über Satzung und Vorstand. "Rodbertus und Gronau wollten möglichst viele Genussrechtsinhaber in der Genossenschaft hinter sich vereinen", sagt Wolfgang Siegel, der Vereinsvorsitzende der "Freunde von Prokon". Das klingt so, als hätte Rodbertus versucht, am Insolvenzverwalter vorbei Zugriff auf das Kapital der Anleger zu bekommen.
Der Gründer habe angestrebt, die Satzung zu sehr auf sich zuzuschneiden, sagt Siegel. In einem offenen Brief an Rodbertus schreibt der Verein: "Der Verdacht entsteht, dass deine Alleinherrschaft dir wichtiger ist als deine Visionen." Man führe bis auf Weiteres keine Gespräche mit dem Prokon-Gründer.
"Die Tätigkeiten von Rodbertus und Gronau für die Genossenschaft sowie ihre jüngsten Äußerungen über Prokon haben keinen Raum mehr für eine konstruktive Zusammenarbeit gelassen", begründete dann auch Penzlin den Rauswurf. Wahrscheinlich meint er gleich mehrere Dinge, die Gronau in den vergangenen Tagen angekündigt hatte.
Der Vertriebschef hatte sich Mitte März in Hamburg vor zwei Dutzend verunsicherten Anlegern des Solidarvereins "Freunde von Prokon" geäußert. Er ließ durchblicken, dass die Firma wohl bis Ende 2013 einen Verlust von 400 Millionen Euro angehäuft habe. Bislang war immer nur von der Hälfte die Rede. Zusätzlich sei Genussrechtskapital in Höhe von 400 Millionen Euro gekündigt worden, deutlich mehr als bislang bekannt, was der Insolvenzverwalter später so bestätigte. Gronaus Aussagen landeten erst in Anlegerforen im Internet und dann in der Wirtschaftspresse. Und er legte noch einmal nach. Im Interview mit dem "Weser-Kurier" sagte er: "Im Moment ist es die deutliche Tendenz, dass in naher Zukunft mindestens 150 Leute ihren Arbeitsplatz verlieren."
Es ist schwer vorstellbar, dass Penzlin diese Indiskretionen gefallen haben, zumal er selbst Presseanfragen zur wirtschaftlichen Situation bei Prokon unbeantwortet gelassen hat.
Der Rauswurf dürfte nun auch den letzten treuen Anleger verunsichert haben. Insolvenzverwalter Penzlin hat angekündigt, es werde wohl nicht zum "Totalausfall" kommen. "Richtig ist jedoch, dass die Genussrechtsinhaber durchaus Verluste werden hinnehmen müssen." Die Entwicklung deutet auf eine Sanierung nach Insolvenzplan hin.
Die Anleger zittern um ihr Geld, denn Genussrechte sind im Insolvenzverfahren nachrangige Forderungen. Andere Gläubiger werden vorher befriedigt. Selbst wenn sie ihre Verträge mittlerweile gekündigt haben, ist unklar, ob sie ihr Geld wiedersehen. Penzlin lässt drei Gutachter prüfen, ob eine Kündigung die Nachrangigkeit wirklich aufhebt.
Einige Anleger versuchen deshalb, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen Rodbertus geltend zu machen. Der Berliner Rechtsanwalt Christoph Kaltmeyer vertritt mehrere Hundert Prokon-Anleger. Er glaubt, dass Rodbertus mehrfach falsch über den Zustand seiner Firma informiert habe. Der Rechtsanwalt verweist auf einen Prokon-Rundbrief vom vergangenen Juli. Man erwarte ein "ordentliches Ergebnis" für das Geschäftsjahr 2012, steht darin. "Zu dem Zeitpunkt hätte die Geschäftsführung längst wissen müssen, wie es um die Zahlen wirklich steht", sagt Kaltmeyer. Noch deutlicher sei ein Fehler im Genussrechte-Prospekt. Darin heißt es, dass bei Darlehen der Kooperationspartner umfangreiche Sicherheiten stellen muss. Dagegen könnte das Management verstoßen haben, als Prokon einem Sägewerk in Sachsen einen Kredit von 250 Millionen Euro gewährt hat. Sicherheiten gebe es nicht, sagt Kaltmeyer. Hätten die Prokon-Chefs davon gewusst, könne es sich sogar um Kapitalanlagebetrug handeln.
Was Rodbertus wann gewusst hat – das könnte vielleicht bald schon die entscheidende Frage sein. Bei der Wirtschafts-Staatsanwaltschaft in Lübeck sind mehr als 60 Strafanzeigen eingegangen, sagt eine Sprecherin. Noch immer prüft die Behörde, ob sie wegen Betrug und Insolvenzverschleppung gegen den Prokon-Gründer und seine Führungsriege ermitteln muss. Anfang Mai könnte eine Entscheidung fallen. Vielleicht ist die Talsohle beim Abstieg des Carsten Rodbertus noch nicht erreicht.
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